Fehlstart

Fehlstart


Ende April konnte ich endlich meinen lang erwarteten Rückflug nach Australien antreten. Um die weiten Distanzen in Australien zu bewältigen entschloss ich mich einen Anhänger mitzunehmen. Somit kann ich auf den langen Strecken mehr Essen und Wasser transportieren und mein Hinterrad entlasten.

Mein Flug von Zürich nach Alice Springs dauerte fast 31 Stunden (mit Zwischenhalt in Dubai und Sydney). Völlig erschöpft kam ich dort an. Mein Velo hatte ich bei der Self Storage Australia eingelagert.

Da letztes Jahr meine Nabe am Hinterrad auf der Great Central Road gebrochen ist (siehe Blog: https://cycoholic.org/touren/drei-kontinente/im-outback) musste ich ein komplett neues Rad zusammen bauen lassen. Zudem habe ich meinen Tubus Gepäckträger vorne durch einen Surly ersetzt und auch die Schutzbleche, Lenkergriffe sowie die Bremse am Hinterrad mussten ausgetauscht werden.

Die Montage dauerte fast 3 Tage. Zum Glück konnte ich im Hostel, wo ich übernachtete, die Werkstatt benutzen. Seb, der Manager, ist gelernter Automechaniker und hat eine schöne Werkzeugsammlung. Nachdem alles zusammen gebaut war konnte ich auf den Zeltplatz umziehen.

Mein Plan war es zuerst einmal um die Simpson Wüste zu radeln. Jedoch erfuhr ich in Alice Springs, dass die gesamte Gegend um Birdsville momentan wegen heftigen Tropenstürmen überflutet und deshalb für mindestens 2 Monaten unpassierbar ist.

So entschloss ich mich erst einmal auf dem Stuart Highway in Richtung Süden bis nach Kulgera zu radeln. Da es auf der ganzen Strecke keinen Supermarkt gibt musste ich ziemlich viel Essen mitschleppen, was das Velo unheimlich schwer machte.

Bereits nach 60 Kilometern Fahrt gab es einen lauten Knall an meinem Hinterrad. Das Presta Ventil hielt dem Druck nicht stand und explodierte. Zum Glück hatte ich noch einen Ersatzschlauch dabei. Bei der Hitze und tausenden von Fliegen einen Schlauch zu wechseln ist nicht gerade so angenehm.

Die Tage hier sind ziemlich kurz. Tageslicht gibt es für maximal 12 Stunden. Somit musste ich schon ziemlich bald mein Zelt aufstellen. Hier in Australien kann man einfach von der Strasse abzweigen und irgendwo im Busch sein Zelt aufstellen. Gerade diese endlose Weite gefällt mir so sehr an diesem Land.

Zudem gibt es keinen Lärm oder sonstige menschlichen Einflüsse hier draussen. Einfach nur Natur pur. Am nächsten Morgen radelte ich zuversichtlich weiter und erreichte nach 2 Stunden Fahrt bereits das Stuarts Well Roadhouse, wo ich meine Wasserflaschen auffüllte.

Ungefähr 15 Kilometer nach dem Roadhouse gab es erneut einen Knall am Hinterrad. Wieder war das Ventil explodiert. Diesmal hatte ich keinen Ersatzschlauch mehr dabei. Somit blieb mir nur eine Möglichkeit übrig: Zurück zum Roadhouse laufen.

Jedoch ist das gar nicht so einfach mit einem schwer beladenen Velo. Nach einer Weile war der Schlauch total platt und ich hatte ziemlich Bedenken, dass meine Felge beschädigt werden könnte.

In Afrika habe ich eine Methode gelernt, wie man einen Schlauch notfallmässig wieder zusammen baut. Dazu braucht es bloss ein wenig getrocknetes Gras, welches man in den Pneu hinein stopft. Somit konnte ich immerhin das Velo wieder zurück stossen.

Nach 2,5 Stunden kam ich ziemlich erschöpft im Roadhouse an. Der Besitzer stellte einen Raum zur Verfügung, wo ich meine Sachen einlagern konnte. Beim Abendessen im Restaurant lernte ich ein paar Leute kennen. Einer von ihnen versprach mir mich am nächsten Morgen zurück nach Alice Springs mitzunehmen.

In Alice Springs ging es direkt zur Velowerkstatt, wo ich meine Felge ausbohren lies um einen Schlauch mit Schrader Ventil einbauen zu können. Dabei bemerkten wir, dass auch die Achse, mit welcher mein Anhänger am Hinterrad angehängt wird, schon verbogen ist. Ein Ersatzteil dafür zu bestellen dauert ungefähr eine Woche.

Somit entschloss ich mich per Anhalter zurück zum Roadhouse zu fahren und mit dem Velo nochmals retour nach Alice Springs zu radeln. Einen Teil meiner Ausrüstung packte ich in eine grosse Tasche und schickte sie per Auto voraus. So kam ich auch schneller vorwärts.

Auf halber Strecke kam mir ein Velofahrer entgegen. Geordie kommt aus England und ist vor 8 Monaten von London aus gestartet. Er radelt in Richtung Neuseeland und danach geht es weiter nach Südamerika https://www.geordiestewart.co.uk/.

Wir unterhielten uns fast 2 Stunden lang am Strassenrand. Die Fliegen belästigten uns enorm in dieser Zeit. Ohne Kopfnetz ist es fast schon unerträglich tagsüber. Die Mistviecher versuchen in jede erdenkliche Körperöffnung zu kriechen.

Geordie ist von Darwin aus den Stuart Highway runter gefahren. Ich erzählte ihm von meinen Pannen und er empfahl mir nach Norden zu radeln. Eigentlich eine ziemlich gute Idee. Das verrückte hier in Australien ist die Abgeschiedenheit. Egal auf welcher Strasse man fährt.

Durch den Outback zu radeln wäre sicher schöner gewesen, aber bei einem Problem ist fast niemand da, der einem helfen könnte. Deshalb grübelte ich am Abend noch lange im Zelt über eine alternative Route nach und kam schlussendlich auf eine geniale Idee: Einmal ganz um Australien herum zu radeln!

Zurück in Alice Springs ging es nochmals auf den Zeltplatz. Die Nächte hier werden um diese Jahreszeit schon ziemlich kalt. Gerade noch +2° Grad Celsius zeigte das Thermometer jeweils am Morgen an. Ein weiterer Grund in den tropischen Norden hoch zu radeln.

Maurizio Ceraldi https://ceraldi.ch/ hat mir beim Start meiner Afrikareise einmal einen guten Ratschlag mit auf den Weg gegeben: „Sei weise, nicht mutig“. Jetzt freue ich mich nach diesem Fehlstart endlich richtig in die Pedalen treten zu können und um dieses riesige Land herum zu radeln.

Allen Leuten, die mir bei den Vorbereitungen geholfen haben möchte ich an dieser Stelle einmal persönlich danken: