Die Bier Route

Die Bier Route


Tagsüber wird es auch hier im Lake District immer noch ganz schön warm. Damit ich der Hitze zumindest ein wenig entfliehen kann, beginnt mein Tag um 5:00 Uhr am Morgen.

Deshalb verabschiedete ich mich schon am Vorabend von Flo, Manuela, Jan und Gion. Mit den ersten Sonnenstrahlen fuhr ich aus San Martin de los Andes raus.

Gleich von Anfang an ging es den Berg hoch. Dafür war die Aussicht auf den Lago Lácar wunderschön. Die Ruta de los Siete Lagos ist der beliebte Name für den malerischen Abschnitt der Ruta 40 zwischen San Martín de los Andes und Villa La Angostura.

Da gerade Hochsaison ist gibt es hier sehr viel Verkehr. Wenigstens hat es endlich einmal seitlich der Strasse einen kleinen Abschnitt mit Asphalt. Dadurch ist man als Velofahrer ein wenig geschützt.

Neben den Seen sind die umliegenden Berge ein weiteres Highlight. Einige Gipfel, wie der Cerro del Buque haben immer noch weisse Bergspitzen.

So viele Velofahrer wie hier habe ich auf der ganzen Reise noch nicht gesehen. Viele Backpackers mieten sich ein Velo und radeln die Strecke in 1 bis 2 Tagen. Mit einigen von ihnen kam ich an den vielen Aussichtspunkten ins Gespräch.

Am Lago Correntoso entschloss ich mich noch ein wenig weiter zu radeln und fand ein paar Kilometer vor Villa La Angostura einen Platz zum Wildzelten, direkt neben der Strasse.

Der Parque Nacional Nahuel Huapi ist der älteste Nationalpark in Argentinien. Gegründet wurde er 1922 und zählt mit 7´000 km² zu den grössten Parks in der Region.

Vor 10:00 Uhr sind die meisten Geschäfte normalerweise geschlossen. Zum Glück gibt es in jeder grösseren Ortschaft die YPF Tankstellen. Sie sind teilweise 24 Stunden geöffnet, bieten guten Kaffee, WiFi und die Möglichkeit um elektronische Geräte zu laden.

Am Strand von Villa La Angostura fing ich an mein Packraft zu beladen. Dazu musste ich zuerst sämtliche Taschen von meinem Velo runter nehmen.

Gerade als ich fast damit fertig war sprach mich Pablo an. Er arbeitet als Guide für Seekayaktouren bei Patagonia Infinita und empfahl mir besser vom 500 Meter entfernten Strand auf der gegenüberliegenden Seite der Küste des Lago Nahuel Huapi entlang zu paddeln.

So belud ich Siemis erneut und machte das gleiche Spiel noch einmal am Strand, wo auch die Fähre nach Bariloche ablegt.

Dabei kam zuerst die Hafenbehörde und anschliessend die Seepolizei vorbei. Sie kontrollierten meine Ausrüstung und zeigten mir auf der Karte ganz genau bis wo ich der Küste entlang paddeln kann.

Die ersten Paddelschläge fühlten sich ein wenig komisch an. Ich hatte das Velo ein bisschen zu wenig weit vorne im Boot befestigt und dadurch nicht so viel Platz zum paddeln.

An einem Strand machte ich kurz im Schatten Pause und versetzte das Velo ein wenig weiter nach vorne. Dadurch verlagerte sich das Schwergewicht, aber ich hatte mehr Platz für die Paddelschläge.

Fast konstant wehte immer ein leichter Wind, wodurch ich permanent paddeln musste. Nur schon bei kurzen Pausen, um zum Beispiel ein Foto zu machen, driftete ich gleich ab vom Kurs.

Jedoch ist das Gefühl auf dem Wasser unterwegs zu sein schier unbeschreiblich schön.

Entfernt vom Verkehr, Lärm und Staub über das Wasser zu gleiten, mit einer fantastischen Bergkulisse im Hintergrund, ist ein geniales Erlebniss.

Am See entlang befinden sich ein paar ziemlich noble Häuser. Auch hat es einige Motorboote auf dem Wasser. Diese sorgen für ziemlichen Wellengang.

Meine Schultern fingen nach ein paar Stunden ziemlich an zu brennen. Ich bin es mir definitiv nicht mehr gewohnt so lange zu paddeln.

Am Nachmittag erreichte ich dann schliesslich den Strand, welche mir die Seepolizei zum ausbooten empfohlen hatte. Erneut brauchte ich wieder fast 2 Stunden bis ich das Velo zusammen gebaut hatte und alles versorgt war.

In einem Minimercado kaufte ich kurz ein und radelte danach ein paar Kilometer weiter auf der Ruta 40, bis ich in einem Waldstück meinen Zeltplatz fand.

Zwei Gauchos, die mit ihren Maultieren vorbei kamen, erlaubten mir auf dem Gelände zu übernachten.

Völlig erledigt aber überglücklich fiel ich bei Sonnenuntergang in den Schlafsack. Was für ein toller Tag auf dem Wasser.

Der nächste Tag startete mit ziemlich frischen Temperaturen. Bereits früh am Morgen hat es hier auf der Ruta 40 schon viel Verkehr.

Neben den Touristen kommen hier einige Lastwagen und auch grössere Busse durch.

Auf der Seite gibt es keinen Platz mehr. Mein Mittelfinger kam wieder regelmässig zum Einsatz.

Beeindruckend fand ich, wie schnell sich die Landschaft verändert hier. Sobald man ein paar Kilometer von den Seen und Flüssen entfernt ist gibt es praktisch keine Bäume und Sträucher mehr.

Gegen Mittag kam ich langsam in San Carlos de Bariloche an. Hier wurde es so schlimm mit dem Verkehr, dass ich nur noch auf dem Kiesstreifen radeln konnte.

Dafür erlebte ich eine tolle Überraschung, als ich wieder Internetzugang hatte und meine Nachrichten überprüfte.

Zwei ehemalige Arbeitskollegen sind momentan auch hier in Bariloche. Carla hatte meinen Blog gelesen und sich daraufhin bei mir gemeldet.

Sie und Danny sind fast zum gleichen Zeitpunkt wie ich in Santiago de Chile angekommen und haben sich dort einen kleinen Bus gekauft.

Mit diesem sind sie in den Anden zum Klettern und Bergsteigen unterwegs. Fast 100 Kilogramm an Ausrüstung haben sie dabei!

Carla gab mir eine von ihren Kreditkarten. Meine musste ich sperren lassen, weil in Junin de los Andes versucht wurde auf die Karte zuzugreifen.

Die beiden fuhren noch am gleichen Tag raus aus der Stadt. Sie wollen in El Chatlén ein paar Gipfel besteigen. Safe travels und vielen Dank für eure Hilfe!

Ich gönnte mir auf dem Zeltplatz in Bariloche einen Ruhetag. Gegen Abend wurde ich bereits von dem begrüsst, wofür Patagonien berüchtigt ist unter Tourenfahrern: der Wind.

Nach einem Frühstück in der YPF Tankstelle ging es erneut früh Morgens in Richtung Flughafen. Kurz davor biegt eine Schotterstrasse ab, die ums Rollfeld herum führt.

Dies ist die Ruta Provincal 80, welche auf die Bier Route führt. Eigentlich beginnt sie bereits in San Martin de los Andes, aber wegen meines Packraftausfluges hatte ich einen anderen Weg gewählt.

Beim ersten Fluss kam noch eine Brücke. Für lange Zeit sollte sie die Letzte sein. Zuerst ging es gleich den Berg hoch.

Die Aussicht auf den Flughafen und die umliegende Landschaft ist sehr schön hier. Auf einmal praktisch keinen Verkehr mehr zu haben ist ein ganz ungewohntes Gefühl.

Beim Arroyo Pichileufu kam die erste Flussdurchquerung. Ein paar Fischer suchten gerade Windschutz als ich mein Velo durch den Fluss stoss.

Hinter einer Kuppe direkt am Weg fand ich ein wenig Windschutz. Ohne Schatten, aber man muss halt Prioritäten setzen.

Am Fusse des Cerro David zweigt die Bier Route von der RP80 ab. Zur Navigation verwendete ich einerseits die Routenbeschreibung (https://bikepacking.com/routes/patagonia-beer-trail-argentina/) und verglich diese jeweils mit der Routenempfehlung auf Maps.Me, was sehr hilfreich war um nicht vom Weg abzukommen.

Gegen 16:30 Uhr erreichte ich den Arroyo Chenqueniyén und musste dort entscheiden, ob ich hier übernachten soll oder noch den Übergang zum Arroyo El Montoso in Angriff nehme.

Da es überhaupt keinen Windschutz hier gab fiel mir die Entscheidung zur Weiterfahrt leicht. Jedoch endet die fahrbare Strasse an diesem Punkt und das ganze verwandelt sich in ein Hike and Bike Abenteuer.

Zeitweise bliess der Wind so stark entgegen, dass ich mit voller Kraft dagegen lehnen musste um überhaupt vorwärts zu kommen. Völlig erschöpft erreichte ich nach 10 Stunden endlich den Arroyo El Montoso und stellte mein Zelt hinter ein paar Büschen direkt neben dem Fluss auf. Gut geschützt vom Wind.

Mit Abstand ist dies einer der schönsten Zeltplätze auf meiner bisherigen Reise. Die Stille (abgesehen vom Wind) weit entfernt von der Zivilisation ist genau das wonach ich mich gesehnt hatte.

Begrüsst wurde ich am nächsten Tag beim Zelt zusammen räumen gleich mit einem schönen Sonnenaufgang.

Bei praktisch windstillem Wetter ging es über den 1435 M.ü.M. gelegenen Pass. Von dort aus konnte ich fast alles fahren und kam pünktlich um 9:00 Uhr beim stillgelegten Bahnhof Fitalancao an.

Die vor langer Zeit verlassene Estación Fitalancao diente ursprünglich Patagoniens ausgedehnter Schmalspurbahn „La Trochita“. Bis 1950 war die Strecke nur für den Güterverkehr bestimmt. Der erste Passagierdienst startete 1950 und verband Esquel mit Buenos Aires.

Im Jahr 1992 wurde im Rahmen der liberalen Wirtschaftspraktiken der Zentralregierung beschlossen, die Strecke zu schließen. Heute ist jedoch noch ein kurzer Abschnitt (Esquel - El Maiten) als Touristenattraktion erhalten.

Nach einer kurzen Stärkung ging es für mich weiter. Der Wind nahm wieder zu und nach wenigen Kilometern gelangte ich auf die Ruta Nacional 1S40. Wellblechpiste mit ziemlich sandigem Untergrund. Gegen Mittag erreichte ich mit der Ortschaft Ñorquincó zum ersten Mal wieder Zivilisation.

Nachdem ich dort den einzigen Laden geplündert hatte und eine kurze Mittagspause hinter dem windgeschützten Bankautomaten machte, radelte ich weiter in Richtung El Maiten.

Wenige Kilometer vor der Ortschaft fand ich in einem kleinen Wald mein Zeltplatz. Kochen im starken Wind dauert deutlich länger als gewohnt. Müde und zufrieden fiel ich ins Zelt.

Früh am Morgen radelte ich durch El Maiten. Die Geschäfte waren alle noch geschlossen und alles wirkte wie eine Geisterstadt.

Auf der Ruta Provincal 6 fuhr ich weiter. Teilweise kam ich wegen den vielen Wellblechpisten und lockerem Sand nur sehr langsam vorwärts.

Nachdem der Rio Ternero überquert war kam ein Abschnitt, wo ein ziemlicher grosser Teil des Waldes abgebrannt ist.

Wenig später erblickte ich zum ersten Mal El Bolson und die umliegenden Berge. In der Ferne hörte man bereits schon den Verkehr von der Ruta 40.

Auf den knapp 10 Kilometern bis nach El Bolson wurde ich einmal beinahe von einem viel zu schnell fahrenden Pickup auf die Seite gedrängt und bei 2 Lastwagen musste ich von der Strasse fast runter springen, damit sie mich nicht über den Haufen fuhren.

In El Bolson habe ich eine kleine Wohnung für 4 Tage gemietet. Carlos und seine Frau haben in ihrem Garten ein kleines Haus gebaut, das sie vermieten.

Hier in El Bolson endet die Bier Route offiziell. Jetzt werde ich mal versuchen die wichtigsten Biersorten auszutesten. Auswahl gibt es genügend.

Beim einzigen Veloladen hier in der Ortschaft lernte ich per Zufall Gabriel kennen. Er kommt aus Brasilien und ist seit 5 Jahren mit dem Velo unterwegs.

Er ist von Süden her auf der Ruta 40 hochgeradelt. Dabei ist ihm die Nabe am Vorderrad gebrochen. Sein Ziel ist es bis nach Mexiko zu radeln.

Neben dem Bier gibt es auch gutes Essen hier. Besonders die Empanadas schmecken mir sehr. Diese gibt es mit vielen verschiedenen Füllungen.

Auf Grund der momentanen Inflation ist es nicht ganz so leicht mit dem Bargeld beziehen. Western Union funktioniert noch am besten.

Jedoch ist es gerade in dünn besiedelten Gebieten schwierig grössere Beträge abzuheben (mehr als 100.- CHF). Das macht die Sache nicht immer ganz einfach.

Wenn es dann einmal funktioniert mit dem Geldwechseln, nimmt man am besten eine grosse Tasche mit um das ganze Geld zu verstauen.

Durch einen Antrag der CGT Gewerkschaft wurde das Notstandsdekret DNU vom neu gewählten Präsidenten Milei durch die Nationale Arbeitskammer vorläufig ausser Kraft gesetzt. Die Gewerkschaften haben jetzt am 24. Januar zum Generalstreik aufgerufen.

Die Tage hier in El Bolson habe ich richtig genossen. Besonders die vielen kleinen Cafés werde ich vermissen.