Stacheldraht, Staub und Araukarien

Stacheldraht, Staub und Araukarien


Die letzten zwei Tage vor meinem Flug nach Santiago de Chile verbrachte ich hauptsächlich mit packen.

Maggie fuhr mich mit ihrem Auto an den Flughafen Charles de Gaulle. Dort packte ich Siemis (mein Velo) in eine Box. Der Check-In bei Air France verlief ziemlich gut und reibungslos.

Nach einem 14 stündigen Flug landete ich zum ersten Mal in meinem Leben auf Südamerikanischem Boden.

Die ersten Tage verbrachte ich mit dem entdecken der grossen Stadt. Fast 6 Millionen Menschen leben hier.

Zuerst besuchte ich das Museum der Erinnerung und Menschenrechte. Es ist dem Gedenken an die Opfer der Militärdiktatur unter Augusto Pinoche gewidmet.

Großflächige Gedenkwand mit dicht an dicht angeordneten Schwarz-Weiß- und Farbportraits von Menschen unterschiedlichen Alters

Teile seiner Sammlung gehören zum UNESCO Weltdokumentenerbe.

Sammlung von internationalen Solidaritätsplakaten für Chile, die gegen die Militärdiktatur protestieren, mit grafischen Designs in verschiedenen Sprachen

Am nächsten Tag ging es zur Villa Grimaldi. Auf dem Gelände wurden von 1975 bis 1988 Oppositionelle der Pinochet Diktatur gefoltert (4500 Menschen gefoltert und 241 davon umgebracht oder bis heute verschwunden).

Heute befindet sich auf dem Gelände der sogenannte "Park für den Frieden", der als Gedenkstätte fungiert.

Infotafel von Villa Grimaldi mit Parkanlage, Bäumen und Wegweisern im Hintergrund

Zum Abschluss besuchte ich noch den Hauptfriedhof. Dieser gilt heute als Nationalfriedhof Chiles. Auf dem 86 Hektar grossen Gelände sind etwa 2 Millionen Menschen bestattet.

Alter Friedhof mit Grabsteinen, Kreuzen und einem großen, violett blühenden Baum im Hintergrund

Hier ruhen fast alle Präsidenten Chiles, sowie viele Prominenete und bedeutende Künstler. Erich Honecker, der frühere Staats- und Parteichef der DDR, wurde nach seinem Tod im chilenischen Exil hier eingeäschert.

Der älteste Teil des Friedhofs befindet sich im Norden. Gruft- und Erdbestattung sind die dominierenden Grabformen. Beeindruckend fand ich auch die vielen Grabnischen.

Friedhof mit zahlreichen weißen Kreuzen, verwelkten Gräbern und vertrockneter Vegetation, Bäume im Hintergrund

Die Fahrt aus Santiago de Chile hinaus verlief trotz des vielen Verkehrs erstaunlich gut. Besonders gut gefielen mir die Radwege.

Blau markierter Radweg an Landstraße mit Verkehrsschild 'Respetémonos', Lastwagen und Fahrrad mit Gepäck im Hintergrund

Diese sind schön getrennt vom restlichen Verkehr und man kann sicher mit dem Velo durch die Stadt fahren. Auch die vielen Wandmalereien und Graffitis gefielen mir sehr gut.

Buntes Wandgemälde mit Radfahrer auf grünem Fahrrad, umgeben von Straßenkunst und Stromleitungen

Da momentan gerade Hochsommer ist, wird es tagsüber ziemlich heiss. Für Patagonien habe ich extra meine Winterausrüstung mit dickem Schlafsack und Winterzelt mitgenommen. Das Material ist hier ein wenig fehl am Platz.

Weißes Zelt, Fahrrad und Campingausrüstung auf einem schmalen Waldweg mit Feuerstelle

Etwas was mich hier von Anfang an gleich sehr beeindruckte, ist die Freundlichkeit der Menschen. Immer wieder bekam ich etwas geschenckt wenn ich irgendwo einkaufen wollte.

Mobiler Imbisswagen mit bunter Anzeigetafel, drei Personen und Palmen im Hintergrund

In Talca wollte ich bei einem Foodtruck nur kurz einen Kaffee am Morgen trinken. Nach kurzem Gespräch schenckte mir der Besitzer 3 Brote, welche seine Frau frisch für mich zubereitete.

Handgehaltenes, herzförmiges Grillbrot mit charakteristischen Grillstreifen, leicht angebrannt, vor verschwommenem Hintergrund

Ausserhalb von Chillán fragte ich bei einem Gemüse- und Früchtehändler nach 2 Bananen und erhielt gleich noch einen Sack gefüllt mit Blaubeeren dazu. Geld wollte der Besitzer keines annehmen.

Beladenes Mountainbike vor blauem Minimarkt mit Pepsi-Banner, staubige Landstraße mit Bergen im Hintergrund

Die Minimarkets sind für mich auch ideal, weil sie viele Produkte in kleinen Mengen anbieten. Ideal zum transportieren.

Hingegen ist es nicht immer ganz einfach einen Schlafplatz zu finden. Praktisch überall ist das Land mit Stacheldraht eingezäunt. Manchmal musste ich ein Tor öffnen um überhaupt irgendwo mein Zelt aufstellen zu können.

Weißes Zelt und rotes Gepäck neben einem Fahrrad im trockenen Gelände bei Sonnenaufgang, Wasserflasche im Vordergrund

Ausserhalb der Städte gibt es auf den Hauptstrassen leider keine Velowege mehr und mit dem vielen Verkehr ist es nicht immer angenehm zum fahren.

Deshalb versuchte ich möglichst auf die ruhigeren Nebenstrassen auszuweichen. Diese bestehen aus einem ziemig lockeren Material, welches hauptsächlich aus Steinen und Sand besteht. Manchmal ziemlich mühsam zum Velofahren.

Unbefestigte Schotterpiste durch trockene Landschaft mit Kakteen, Bergrücken im Hintergrund und Stromleitungen

Hinzu kommen noch die steilen Steigungen. Nicht immer kam ich mit meinem vollbeladenen Velo hoch, sondern musste stossen. Mit ein paar Fluchwörtern klappte das jedoch ziemlich gut.

Unbefestigte Schotterstraße führt zwischen Kiefern und Buschwerk hindurch, weite Agrarlandschaft im Hintergrund

Einmal führte die Strasse direkt durch den Fluss. Mein neues Velo fährt sich wunderbar und hält den harten Bedingungen in der Pampas bislang erstaunlich gut stand.

Seichter Fluss mit Kieselsteinen, umgeben von grünen Büschen und Bäumen, blauer Himmel im Hintergrund

Touristen traf ich in diesem ländlichen Gebieten keine. Dafür kam ich durch einige Weinbaugebiete und traf auch lokale Rennvelo- und Mountainbikefahrer.

Radfahrer in blauer Sportbekleidung mit Rennrad vor Eingang des Cementerio Municipal, Zaun und Bäume im Hintergrund

Nach 8 Tagen erreichte ich den ersten Zeltplatz in Tucapel. Dieser dient mehr als Picknickplatz für die Leute aus der Stadt. Fliessendes Wasser gibt es keines, dafür hat es einen Fluss nebenan zum sich selber und die Kleider zu waschen.

Mehrere Kleidungsstücke in verschiedenen Blautönen hängen zum Trocknen an einer Leine zwischen Bäumen in einem sonnigen Garten

Juan, der Platzwart, wohnt hier das ganze Jahr und war sehr hilfsbereit. Nach einem Ruhetag radelte ich weiter über Quilleco nach Santa Barbara. Mein erstes Etappenziel.

Ein paar Kilometer weiter Flussaufwärts befindet sich der Campingplatz Trompelhueno. Dieser ist schon viel besser ausgestattet.

Weißes Zelt und Fahrrad unter überdachtem Holzpavillon mit Sichtschutz-Netz, daneben Picknick-Tisch

Von dort aus wollte ich auf einer ruhigen und sehr schönen Nebenstrasse weiter fahren und dann die Fähre über den Fluss nehmen. Bei der Ankunft war diese jedoch nicht in Betrieb.

Blauer Fluss Rio Baker durchfließt grüne Landschaft, im Hintergrund markante Berge mit Schneebedeckten Gipfeln und dichter Vegetation

Direkt darunter befindet sich eine ziemlich grosse Stromschwelle. Eine Überfahrt mit meinem Packraft war mir zu heikel.

So blieb mir nichts anderes übrig, als die ganze Strecke bis zum Zeltplatz zurück zu radeln. Dort wurde ich von Cristian und seiner Familie zur Geburtstagsfeier eingeladen.

Vier lächelnde Menschen vor Berglandschaft, Girlande mit Schriftzug, bunte Wimpel im Hintergrund

Cristian spricht gut Deutsch. Auch seine Kinder lernen ein wenig Deutsch an der Schule. Vielen Dank für eure Gastfreundschaft.

Weite Landschaft mit spiegelblankem See, Kiefernwald und Bergsilhouetten im warmen Abendlicht

Auf der ofiziellen Strasse ging es dann am nächsten Tag weiter nach Rolca. Die Öffnungszeiten hier in Südamerika sind für mich eine weitere Herausforderung. Vor 10:00 Uhr öffnet fast kein Geschäft.

Etwas ausserhalb von Rolca hörte beim ersten Staudamm die asphaltierte Strasse auf. Schotterpiste ahoi.

Schmale Brücke mit rot-weißen Geländern über einen grünen See, umgeben von bewaldeten Berghängen und Felswänden

Leider hat es auch hier ziemlich Verkehr und man wird immer wieder von den vorbeifahrenden Autos eingestäubt.

Dafür ist die Berglandschaft wunderschön hier und mit dem Callaqui sah ich meinen ersten Vulkan.

Weite Landschaftsaufnahme eines spiegelglatten Sees zwischen bewaldeten Berghängen unter wolkigem Himmel

Am letzten Tag des Jahres hatte ich die schwierigste Steigung zu bewältigen. Von Chenqueco aus führte der Weg über eine Fussgängerbrücke und danach steil den Berg hoch auf einem Pferdepfad.

Auf der Abfahrt verlor ich sogar noch Schrauben am Velo. Unten angekommen entschloss ich mich für die alternative Route über Troyo.

Die Strassen sind auch hier immer noch enorm steil. Erschöpft fiel ich am Abend ins Zelt und kriegte vom Neujahr nichts mit.

Unbefestigte Schotter-Bergstraße mit gelbem Warnschild für steile Gefälle, links und rechts von Felswänden und Vegetation gesäumt

Belohnt wurde ich am nächsten Tag mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Nach 25 Kilometern erreichte ich die asphaltierte Strasse und kam wenig später in Lonquimay an.

Berglandschaft mit schneebedeckten Gipfeln, grünem Wald im Vordergrund und rosa-blauem Morgenhimmel

Die Ortschaft wirkte wie eine Geisterstadt an Neujahr. Nach einem Einkauf fuhr ich weiter.

In einer Steigung konnte ein mir viel zu schnell entgegenkommendes Auto erst im letzten Moment abbremsen.

Unbefestigte Landstraße zwischen Araukarien-Bäumen, gesäumt von weißen Holzpfählen, blauer Himmel mit Wolken

Hier sah ich die ersten richtgen Araukarienwälder. Die Chilenischen Araukarien sind immergrüne Bäume, die Wuchshöhen von 30 bis 50 Metern und Stammdurchmesser von 1 bis 2 Metern erreichen.

An der Laguna Galetué entlang fuhr ich in Richtung Icalma. Auch hier werden ganze Wälder gerdodet. Nicht gerade ein schöner Anblick.

Unbefestigte Schotterpiste durch Nebellandschaft mit markanten Araukarien-Bäumen und Zaun im Vordergrund

In Icalma befindet sich der Grenzübergang nach Argentinien. Auf beiden Seiten verlief die Zollkontrolle sehr freundlich und effizient. Auf der Abfahrt nach Villa Pehuenia gab es ein tolles Panorama.

Von Anfang an hatte ich in Argentinien Schwierigkeiten mit dem Bezug von Bargeld. Mit Hilfe von Einheimischen und meiner Familie zu Hause klappte es aber immer irgendwie.

Mountainbike lehnt unter mächtigen Araukarien mit spiralförmigen Zweigen und Zapfen, Sonnenlicht durchfällt Baumkronen

Am Lago Aluminé entlang fuhr ich weiter nach Süden. Auch hier sind die meisten Strassen nicht asphaltiert. Das verwendete Material ist aber meistens besser zum radeln.

Jedoch gibt es auch hier viel Verkehr und heftige Wellblechpisten. Einige Autofahrer nehmen überhaupt keine Rücksicht und fahren viel zu schnell. Ich nenne sie "Burros", was auf Spanisch "Esel" bedeutet.

Radfahrer mit weißem Helm und Sonnenbrille zeigt Mittelfinger, hält Medallion, Berglandschaft im Hintergrund

Ausserhalb von Aluminé traf ich meinen ersten Tourenvelofahrer. Er musste gerade einen Platten reparieren, kommt aus Buenos Aires und radelt ohne Plan durch Südamerika.

Nach einer kurzen Unterhaltung verabschiedeten wir uns wieder von einander.

Zwei lächelnde Männer mit Fahrradhelmen, einer in weißem Helm und blauer Jacke, der andere in schwarzer Kappe und blauem Shirt, vor grüner Landschaft

In der Nacht fallen die Temperaturen ziemlich runter. Dadurch sind mein Zelt und Schlafsack am Morgen ziemlich nass. Am Abend versuche ich meistens einen Zeltplatz am Fluss zu finden.

In Junin de los Andes traf ich auf dem Campingplatz bereits schon den nächsten Velofahrer. Niels kommt aus Holland und radelt von Ushaia aus nach Kolumbien. https://www.polarsteps.com/NielsdeGrave1/9272831-bike-trip-south-america

Person sitzt an Holzbank beim Picknicktisch, Zelt im Hintergrund, Campingplatz mit Bäumen und Fahrrad

Auch ein weiterer Velofahrer aus Buenos Aires war noch dort eingetrofffen. Hector radelt für 2 Wochen ein wenig durch die umliegenden Seen.

Blau-orangefarbenes Zelt auf Campingplatz, daneben weißes Mountainbike und eine Person im grauen T-Shirt

Niels hatte mir eine alternative Route von Junin nach San Martin de los Andes empfohlen, die nicht über die stark befahrene Ruta 40 führt.

Bei der Fahrt zum Lago Lolog wurde ich direkt vom Regen überrascht. Durch die heissen Temperaturen klingelt mein Wecker bereits schon um 4:30 Uhr. Bis 14:00 Uhr sind die Temperaturen noch relativ angenehm.

Unbefestigter Feldweg mit dichter Staubwolke, umgeben von Büschen und Zaun, Berghänge im Hintergrund

In San Martin de los Andes gab es ein tolles Wiedersehen mit Florian und seiner Familie. Sie reisen seit Oktober durch Chile und Argentinien. Immer auf der Suche nach ein paar schönen Kletterfelsen.

Drei Tage lang durfte ich mit ihnen verbringen, was richtig Spass machte. Sie reisen bis Ende Februar noch weiter, bevor es dann nach Hause geht. Engraziel fetg für alles und gute Weiterrreise.

Nahaufnahme von vier lächelnden Gesichtern, drei Erwachsene und ein Kind, eng zusammengedrängt in einem Selfie

Für mich geht es weiter nach Süden, zu den ersten grossen Seen. Dort möchte ich zum ersten Mal ein wenig mein Packraft ausprobieren.