1001 Nacht

1001 Nacht


Bereits nach zwei Tagen in Buchara ging die Fahrt weiter Richtung Samarkand. Nach einer Woche mit Adam zusammen war es nicht leicht wieder alleine unterwegs zu sein. Gegen 10:00 Uhr setzte ein starker und heisser Gegenwind ein (45 Grad). Nur sehr langsam kam ich vorwärts. Bei einer Tankstelle bekam ich Wasser und Tomaten geschenkt. Als Überraschung holten die Besitzer ihr Dromedar aus dem Stall.

Ziemlich erschöpft fiel ich am Abend ins Zelt. Der nächste Tag war genau so schlimm wie der Vortag. Dennoch kam ich gegen 20:00 Uhr in Samarkand an.

Im Gästehaus waren bereits 6 weitere Velofahrer eingetroffen. Usbekistan ist definitiv der Treffpunkt für Velofahrer schlecht hin. Beim Abendessen tranken wir sogar ein Bier. Nach zwei Monaten im Iran ist dies ein seltsames Gefühl, wenn man plötzlich wieder in der Öffentlichkeit Alkohol konsumieren darf.
Der Wechselkurs variiert hier ziemlich stark. So ist es ratsam das Geld auf dem Schwarzmarkt zu wechseln, weil dort die Tarife deutlich besser sind. 1 Dollar entspricht 2500 Som. Die grössten Noten sind in 1000 Som erhältlich. Wechselt man also 100 Dollar, braucht man schon fast einen Plastiksack um das ganze Geld mitzutragen.

Bereits am nächsten Tag ging es mit dem Taxi in die usbekische Hauptstadt nach Tashkent . Dort konnten wir innerhalb eines Tages ein Visa für China beantragen. Jedoch hatten nicht alle von uns so viel Glück. Ein französischer Velofahrer wurde nicht mal erlaubt in die Botschaft einzutreten. Die Franzosen haben vergangene Woche den Dalai Lama eingeladen und nun gibt es keine Visas für sie. So geht das in China!

Tashkent ist mit 2,3 Millionen Einwohner schon eine richtige Metropole. 1966 wurde die Stadt durch ein Erdbeben weitgehend zerstört und anschliessend im sowjetischen Stil wieder aufgebaut. Seit der Unabhängigkeit erhält sie auch ein usbekisches Antlitz. In Usbekistan müssen die Touristen sich offiziell für jede Nacht registrieren lassen. Als Velonomade ist dies jedoch beinahe unmöglich. Als ich das Hotel beziehen wollte, das meine Mutter für mich reserviert hatte durfte ich nicht einchecken. Mir fehlten sechs Tage ohne Registrierung. Zum Glück fand die Reiseagentur aber eine Alternative mitten im Stadtzentrum.

Am nächsten Tag kam dann meine Mutter auf Besuch. Wir hatten viel zu erzählen. Mit dem Taxi fuhren wir nach Samarkand. In der Nacht bekam ich dann richtig starken Durchfall. Erstaunlicherweise erwischt es jeden hier mindestens einmal damit. Ich konnte am nächsten Morgen weder essen noch trinken und so bestellten wir den Arzt. Dieser gab mir gleich eine Infusion und setzte vier Spritzen in meine Muskeln. Meine Mutter war richtig begeistert von meinem Überraschungsgeschenk. So stelle ich mir Urlaub vor!

Bis am Abend ging es mir aber schon deutlich besser. Im Park trafen wir auf Johanna und Andreas, die ich mit Tom zusammen in Ungarn auf dem Donauradweg kennen gelernt hatte.

Wir hatten viel auszutauschen. Schliesslich sind es schon vier Monate her seit wir uns das letzte Mal getroffen haben.
Am nächsten Tag konnten wir dann endlich die Sehenswürdigkeiten besuchen. „Wer nach Samarkand geht, reist in die Vergangenheit“, schrieb der russische Schriftsteller Sergej Borodin 1925. Im 7. bis 6. Jahrhundert vor unserer Zeit lag hier die Siedlung Afrosiab und im 5. Jahrhundert vor Christus hieß sie Marakanda. Sie war die Hauptstadt des Sogdischen Reiches. Dschingis Khan zerstörte die Stadt komplett. Amur Timur, der Begründer der Timuridendynastie, machte im 14. Jahrhundert die Stadt zu dem was sie heute ist. Er hat gleichsam den Grundstein gelegt. Seine Eroberungszüge führten ihn bis nach Kleinasien, Syrien und Indien.
Viele seiner gigantischen Bauwerke kann man noch heute betrachten. So die Gräberstadt Schach-i Sinda,

und den zentralen Basar.

Man fühlt sich dabei wirklich manchmal wie in einem Märchen aus dem fernem Orient. Leider kann mein Teppich immer noch nicht fliegen. Sonst wäre ich gerne wie Aladin um die riesigen Minarette und Türme rum geflogen.
Eigentlich wollten wir am nächsten Tag nach Chiwa fahren. Wir entschieden uns jedoch stattdessen Buchara zu besuchen. Der Taxifahrer musste unterwegs noch Melonen und Fleisch für seine Familie einkaufen, was die Fahrt ein wenig verzögerte. Das gebuchte Hotel wollte dann plötzlich auch noch viel mehr Geld als abgemacht und so suchten wir halt kurzerhand ein Anderes. Um die Mittagszeit ist es meistens zu heiss um irgend etwas zu unternehmen. Vor einem Shop trafen wir auf die Nomadbikefamily aus Genf. Ich hatte schon ihren Artikel in der Migros Zeitung gelesen und in Kapadokien von ihnen erfahren fr.nomadbikefamily.org. Wir gingen zusammen auf den Spielplatz und unterhielten uns dort eine Weile.

Sie sind jetzt mittlerweile 18 Monate unterwegs und haben in dieser Zeit einiges erlebt. Mit ihren drei Kindern, Manu (6 Jahre), Leeroy (5 Jahre) und Ela (21 Monate) sind sie von der Schweiz aus mit ihren Liegevelos und Anhängern auf dem Donauradweg bis nach Istanbul gefahren. Dort haben ging es mit dem Flieger für drei Monate nach Madagaskar zur Winterpause. Sandra hat ihre familiären Wurzeln dort. Zurück in Istanbul ging es weiter durch die Türkei, Georgien, Aserbaidschan und mit dem Schiff über das Kaspische Meer nach Kasachstan und schliesslich Usbekistan. Eine eindrückliche Reise.

Am nächsten Tag ging es erneut auf Sightseeing Tour. Noch vor 150 Jahren war die Stadt für Ausländer vollständig gesperrt. Illegales Eindringen hatte in der Regel den Tod zur Folge. Die Stadt wurde vor 2500 Jahren gegründet. Ihre Mauern und Festungstürme wurden von den Heeren Alexander des Grossen, von den Truppen Dschingis Khans, Amur Timurs und des iranischen Nadir- Schahs bestürmt. Die Namen des herausragenden Arztes und Philosophen Abu Ali ibn- Sina (Avicenna ), des enzyklopädisch gebildeten Beruni, des Astronomen und Mathematikers Ulug- Bek Sind unlösbar mit dieser Stadt verbunden. In Hamedan, Iran wo Avicenna starb, hatte ich bereits schon sein Denkmal besucht. Buchara gilt als sein Geburtsort. Auch hier gibt es viele eindrückliche Sehenswürdigkeiten. So das Minarett und die Moschee Kalian,

die Medresse Mir- i Arab,

die Festung Ark,

die Moschee Bolo- Chaus

und das Mausoleum der Samaniden.

Diese Mausoleum (Ende des 9. Jahrhunderts bis Anfang des 10. Jahrhunderts) ist eine Familiengruft der Samanidendynastie, die der Gründer des Samanidenstaates Ismail Samani errichten liess. Dieses Bauwerk gilt als eines der herausragendsten Baudenkmäler im Vorderen und Mittleren Orient. Mit einfachen gebrannten Lehmsteinen haben die Leute damals ein grosses Kunstwerk vollbracht.
In der Kaljan Moschee machte ich ein paar Gebets Versuche.

Zum Glück waren wir alleine in der Moschee. Mir schmerzten am Schluss ziemlich die Knie. Am Abend trafen wir nochmals die Nomadbikefamily und weitere Velofahren.

Bei der Rückreise am nächsten Tag musste der Taxifahrer erneut Melonen einkaufen. Das ergab schlussendlich einen Umweg von 4 Stunden Fahrtzeit. Als wir uns weigerten den vollen Fahrpreis zu bezahlen, machte uns der Fahrer nach längeren Verhandlungen, ein lustiges Angebot: Wenn wir ihm die fehlenden zwanzig Dollars bezahlen würden, könnten wir dafür eine Melone haben. Eine solche teure Melone wollten wir dann aber nicht kaufen. Schlussendlich zog er enttäuscht und ziemlich wütend ab. Meine Mutter brachte mir die neue 9- fach Kassette aus der Schweiz und viele weitere nützliche Dinge mit.

In Tashkent assen wir mit Johanna und Andreas noch unser letztes gemeinsames Abendessen. Die beiden fahren weiter durch das Ferghana Tal bis nach Osh in Kirgistan. Danach musste ich mich bereits wieder von Mutti verabschieden. Auch diesmal fiel mir der Abschied nicht leicht. Wir hatten eine tolle und erlebnisreiche Zeit zusammen hier verbracht.
Als ich am nächsten Morgen mit dem Zug am Bahnhof von Samarqand ankam war dort gleichzeitig die Nomadbikefamily eingetroffen. Wir verbrachten die nächsten Tage gemeinsam mit Velo reinigen und Ausrüstung flicken.

Die anderen Velofahrer im Hostel meinten am Schluss nur spöttisch, dass bloss Schweizer ihre Räder so penibel reinigen. Schweizer Qualität ist und bleibt halt die Beste. Hihi!

Maurizio Ceraldi, der mir bei den Vorbereitungen eine grosse Hilfe war, ist am 22. August auf eine neue Reise aufgebrochen. In zwei Jahren will er Afrika mit dem Velo umfahren ceraldi.ch.

Da ich noch genügend Zeit hatte entschloss ich mich mit der Nomadbikefamily nach Tashkent zu radeln. Vor vier Jahren hatten sie hier bereits ihre Test Tour gemacht und kannten deshalb einige Leute auf der Strecke. Am ersten Tag machten wir in einem kleinen Restaurant Mittagspause und waren kurze Zeit später in Gesellschaft von vier weiteren Schweizer Radfahrern und einem Deutschen. Den ersten Abend durften wir bei einer Bauernfamilie verbringen. Durch den starken Gegenwind waren wir ziemlich erledigt. Aber auch hier muss am Abend jeweils noch den Gastgebern die Fotos zeigen und bis spät in die Nacht Fragen beantworten. Das ist zwar amüsant und macht meistens auch Freude. Nach einem harten Tag auf dem Drahtesel ist dies jedoch manchmal ziemlich anstrengend. In der Dämmerung ereignete sich vor dem Haus, an der Hauptstrasse, ein Unfall. Zwei Esel wollten die Strasse im Dunkeln überqueren. Ein Auto konnte noch rechtzeitig bremsen. Jedoch folgte dahinter ein Lastwagen, der rücksichtslos von Rechts überholte und einen Esel anfuhr. Wir konnten leider nur noch zuschauen wie das arme Tier an Ort und Stelle verendete. Nachtfahrten sind hier enorm gefährlich.

Sandra und Ela fühlten sich am nächsten Tag ziemlich schlecht. Der liebe Durchfall hatte sich mit einem neuen Virus wieder bei ihnen eingeschlichen. Nach der Mittagspause tauschten wir den Anhänger und so fuhr ich den Rest des Tages mit Ela durch die Gegend.

Das zusätzliche Gewicht spürt man ziemlich deutlich beim fahren. Nicht gerade einfach so ein Ding durch die Gegend zu ziehen.
Nach einer Nacht im Zelt besuchten wir Tags darauf eine weitere Familie in Dashtobod. Diese machten Tags darauf ein grosses Essen zum Todestag ihres Grossvaters und luden uns ein daran teilzunehmen. So konnten wir einen Ruhetag einlegen. Auch Manu erwischte es schliesslich mit dem Durchfall. Das Essen am nächsten Tag war extrem lecker. Es gab Osch, das usbekische Nationalgericht.
Dieses wird meistens in riesigen Gefässen zubereitet und ist eine Mischung aus Reis, Karotten, verschiedenen Gemüsen und geschnetzeltem Lammfleisch. Insgesamt kamen schätzungsweise beinahe 150 Personen. Am Morgen wurde das Schaf bei der Grossmutter im Hofe geschlachtet. Wir durften den ganzen Hof anschauen und reichlich Bilder schiessen. Die Milchkühe haben es hier deutlich strenger als ihre lieben Artverwandten in der Schweiz.

Das Futter ist ziemlich rar in der Gegend. Da es während den heissen Sommermonaten praktisch nie regnet und Wasser ziemlich knapp ist, wächst kaum etwas nach.
Es fiel nicht leicht am nächsten Tag Abschied zu nehmen von diesen netten Leuten. So ist halt nun mal das Velonomadenleben.

Bereits auf halber Strecke kam uns schon die nächste Familie entgegen, die wir in Gulistan besuchen wollten. Patrick hatte sie telefonisch schon informiert. Sie nahmen uns das Gepäck ab und so flogen wir schon beinahe über die schlecht asphaltierten Strassen. Nach dem Mittagessen fühlte sich auch Patrick zunehmend schlechter. Als wir gegen Abend bei der Familie ankamen, war er ziemlich erschöpft. Deshalb folgte erneut ein Ruhetag. Mit dem ältesten Sohn der Familie ging ich auf den örtlichen Basar. Dieser war im Vergleich zu den touristischen Basaren in Buchara und Samarqand viel Lebhafter und interessanter.

Am Abend erwischte es dann auch noch mich mit dem Virus. Weil wir alle zie lich angeschlagen waren und alle am Montag unbedingt auf die Botschaften mussten, entschlossen wir uns den Zug zu nehmen. Dieser fuhr bereits um 4:40 Uhr am Morgen.

Die Family ging auf die chinesische Botschaft, während ich versuchte mein Visa zu verlängern. Zuerst hatte ich ziemlich Mühe das Visa Büro zu finden. Dort schickten sie mich auf den Flughafen. Der zuständige Beamte war äusserst hilfsbereit und sehr interessiert an meiner Reise. Eine nette Dame übersetzte für mich. Nach einer Stunde hatte ich mein Visa um 7 Tage verlängert. Wunderbar! Die Anderen hatten leider kein Visa bekommen. Sie wollten keine Visas für Velofahrer ausstellen. Die Chinesen erfinden ständig neue Regeln. Scheint ein Nationalsport zu sein im Land der aufgehenden Sonne. Die Leidtragenden sind leider die Touristen. Uns macht dieses Spiel jedenfalls nur wenig Spass.

In Usbekistan müssen sich die Touristen offiziell jede Nacht in einem Hotel registrieren lassen. Uns fehlten jedoch mehr als 10Tage ohne Registrierung. Aus diesem Grund wollten uns viele Hotels in Tashkent nicht aufnehmen. Wegen des bevorstehenden Unabhängigkeitstag am 1. September sind die Sicherheitsvorkehrungen ziemlich erhöht worden und die Hotels nehmen es ziemlich genau mit den Vorschriften. Keiner will seine Lizenz verlieren. Trotzdem fanden wir dann noch eine Unterkunft. Nach beinahe 18 Stunden auf den Beinen waren wir ziemlich fertig.

Patrick und Sandra wollen nochmals versuchen ein Visa für China zu beantragen. Hoffentlich klappt das.
Meine Reise geht jetzt weiter nach Tadjikistan in das Pamir Gebirge. Nach fast vier Monaten in verschiedenen Wüstenregionen freue ich mich nun riesig auf die hohen Berge.