Ahlan wa Sahlan

Ahlan wa Sahlan


Bei der Landung in Amman lief am Flughafen fast alles reibungslos. Die grosse Box von meinem Velo machte die Zollbeamten zuerst ein wenig unsicher. Doch schon bald liessen sie mich gehen. Beim zusammen bauen bemerkte ich, dass meine Vordergabel einen Schlag abgekriegt hat. Zudem war eine Pfanne und der Druckluftmesser total demoliert.

Um Mitternacht wollte ich noch nicht weiter fahren. Bis zum Sonnenaufgang müsste ich noch 5 Stunden warten. Dabei bemerkte ich einen weiteren Defekt. Mein Vorderrad hatte zusätzlich noch 2 Platten eingefangen. Nach der Reparatur konnte ich bereits langsam in den Sattel steigen und mich auf den Weg nach Amman machen.
Der schnellste Weg führte 35km über den Highway. Der Pannenstreifen war der beste Veloweg den ich seit langem fahren konnte. Plötzlich stoppte mich ein Polizeiwagen. Der Polizist auf der Fahrerseite stieg aus, schüttelte mir die Hand und sagte ganz freundlich: “Welcome to Jordan“. Nicht schlecht! Eine solche Begrüssung ist doch ein toller Start. Nach 40 Stunden ohne Schlaf kam ich völlig übermüdet in Amman an und schnappte mir gleich das erste Hotel. Erst nach 14 Stunden Schlaf gelang es mir die Stadt ein wenig anzuschauen.

Da meine Mutter erst in einer Woche mich besuchen wollte, hatte ich noch genügend Zeit Amman näher zu entdecken. Amman ist eine moderne Stadt, in der Muslime und Christen (10 %) zusammen leben. Die heutige Finanzmetropole begann erst nach der Staatsgründung Israels infolge der Flüchtlingsströme aus dem Westjordanland zu einer Großstadt zu wachsen (ca. 4 Mio. Einwohner). Amman blieb eine kleine Stadt, bis es 1948 durch den Zustrom palästinensischer Flüchtlinge rasch zu wachsen begann.

Beiruts Niedergang in den 1970er und 1980er Jahren hat Amman zur führenden Handelsmetropole des Vorderen Orients aufsteigen lassen. Die Siedlung im Tal des Wadi Amman hat sich seither zu einer Millionenstadt entwickelt.

Bei diesen Streifzügen sprach mich ein Ladenbesitzer an und lud mich gleich zum Kaffee trinken ein. Im Laden gegenüber unterhielt ich mich länger mit einem Schneider. Abu Anas lebt schon seit fast 50 Jahren in Amman und konnte mir einiges über die Stadt erzählen. Er und seine Frau luden mich zum Mänsaf essen zu sich nach Hause ein. Dies ist das Nationalgericht von Jordanien und wird hauptsächlich aus Reis und Fleisch gekocht (Lamm oder Huhn).

Was einem von Anfang an hier in Jordanien auffällt, ist die herzliche Begrüssung. Fast jeder Mensch auf der Strasse begrüsst einem mit “Ahlan wa Sahlan“ (Herzlich Willkommen). So etwas habe ich noch in keinem anderen Land miterlebt.

Nach 9 Tagen konnte ich dann meine Mutter vom Flughafen abholen. Auch sie war gleich von Anfang an ziemlich positiv überrascht von den Menschen hier. Was mich besonders freute war die grosse Menge Schokolade, die sie mitbrachte. Aber auch die neuen Pedalen vom Veloladen Leuthold sind Gold wert! Wir entschlossen uns zuerst einmal nach Madaba zu fahren und von dort aus die Umgebung zu erkunden.

Die von den Moabitern gegründete Stadt wird in der Bibel mehrfach erwähnt. Im 1. Jahrhundert v. Chr. kam die Stadt unter nabatäische Herrschaft, ab 106 n. Chr. war sie Teil der römischen Provinz Arabia. 746 zerstörte ein Erdbeben die Stadt, die daraufhin von den Bewohnern aufgegeben wurde und verödete. 1880 wurde sie von Christen wiederbesiedelt, wobei unter Schutt alte Mosaiken gefunden wurden.

Die 1913 fertiggestellte römisch-katholische Kirche (auf der höchsten Erhebung des Ortes) steht auf einer teilweise mehr als 2000 Jahre alten Krypta, in der sich unter anderem eine Grotte mit der Reliquie mit dem angeblichen Haupt von Johannes dem Täufer, Reste von antiken Mosaiken und ein moabitischer Brunnen befinden. Die griechisch-orthodoxe Kirche enthält das berühmte Mosaik von Madaba, das eine Landkarte Palästinas aus dem 6. Jahrhundert zeigt.

Ganz in der Nähe von Madaba liegt der Berg Nebo. Mit einer Höhe von 808 m bietet er eine Aussicht in das Jordantal, auf das Tote Meer und nach Israel. Laut Deuteronomium ist der Berg Nebo jener Berg, von dem aus Mose das gelobte Land sehen durfte, aber sterben musste, ohne es selbst betreten zu haben.

In Mukawir besichtigten wir den Herodes Tempel von wo aus man eine tolle Aussicht auf das Tote Meer hat. In der Antike bewachte die Burg das judäisch-nabatäische Grenzgebiet der jüdischen Provinz Peräa. In den Jüdischen Altertümern berichtet Flavius Josephus vom gewaltsamen Tod Johannes des Täufers. Dort heißt es in 18, 119, „Herodes ließ den Johannes in Ketten legen, nach der Festung Machaerus bringen … und dort hinrichten.“ Die Bibelstellen, in denen vom Tod Johannes’ berichtet wird, lokalisieren das Geschehen nicht. Nach dem Tod Agrippas (44 n. Chr.), kam die Anlage in den Besitz des römischen Präfekten von Judäa.

Leider gibt es auf dem Kings Highway keine öffentliche Verkehrsmittel. Wir mieteten uns deshalb ein Taxi um in Karak einen Zwischenhalt zu machen. Die Ruinen der Burg Karak liegen auf einem Felsvorsprung etwa 1000 Meter über Meereshöhe und sind auf drei Seiten von einem Tal umgeben.

Der Ort wurde zumindest seit der Eisenzeit bewohnt, war eine wichtige Stadt der Moabiter und der Nabatäer. Aufgrund ihrer Lage östlich des Jordans war Karak in der Lage sowohl die Beduinen als auch die Handelsrouten von Damaskus nach Ägypten und Mekka zu kontrollieren. Die Burg Karak ist ein bekanntes Beispiel der Kreuzfahrerarchitektur, einer Mischung aus europäischem, byzantinischem und arabischem Stil.

Die meisten Leute hier sprechen ziemlich gut Englisch. Bei unseren Fahrten kamen wir deshalb immer wieder mit unseren Taxifahrern ins Gespräch. Dadurch lernten wir einiges über Jordanien näher kennen. Fast 60% der Bevölkerung sind Palästinenser, die seit der israelischen Besatzung von West Bank und Gaza hier in Jordanien leben. Die Konflikte in Syrien und Irak haben dazu geführt, dass sich die Bevölkerungszahl innerhalb von wenigen Jahren drastisch vergrössert hat (etwa 3 Mio. Menschen seit 2009). Aber auch aus Ägypten, Libanon und Sudan strömen immer mehr Leute hier hin.

Wir erreichten nach 5 Stunden Fahrt Petra und freuen uns nun die sagenumwobene Stadt der Nabatäer in den nächsten Tagen zu besichtigen.