Die Zaunwüste

Die Zaunwüste


Die 8 Wochen in Swakopmund vergingen wie im Fluge. Ganz besonders freute ich mich über den Besuch meiner Mutter. Wir hatten uns seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen. Gerade als sie mich besuchte fand in Swakopmund zum ersten Mal das Safland Sevens Rugby Turnier statt. Somit verbrachten wir die meiste Zeit im Stadium und schauten den ganzen Tag Rugby Spiele. Am Ende gewann Südafrika im Finale gegen Kenia. Die restliche Zeit verbrachten wir in der schönen und für afrikanische Verhältnisse sehr sauberen Stadt.

Zwischen Weihnachten und Neujahr kam mich Tania aus der Schweiz besuchen. Sie hat mich schon einmal auf dieser Reise von Mazedonien nach Griechenland begleitet und wir wollen gemeinsam nach Kapstadt radeln. Dabei brachte sie mir auch gleich ein neues Hinterrad mit, welches der Veloladen Leuthold für mich gebaut hatte. Einige Dinge mussten repariert und ersetzt werden:

neues Hinterrad
neuer Kettenantrieb
neue Schlafmatte
neue Reissverschlüsse am Zelt und Lenker- sowie Hinterradtasche
und ein neues Ladegerät für meinen Laptop
An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei Sabine Beer und dem Exped Team exped.com/germany sowie Tom Spahr und dem Veloladen Leuthold veloladen-leuthold.ch für ihre fantastische Arbeit bedanken. Aber auch meiner Mutter und Tania für die Lieferung aller Ersatzteile.

Nachdem wir uns von der Silvesterparty erholt hatten (zuviel südafrikanischer Rotwein ist definitiv ungesund) ging es am 2. Januar los. Zuerst radelten wir von Swakopmund aus nach Gobabeb. Das Gobabeb Training and Research Centre ist eine Forschungs- und Ausbildungsstation. Die Station befindet sich etwa 120 Kilometer südöstlich der Stadt Walvis Bay in Namibias größtem Naturreservat, dem Namib Naukluft Park.

Gobabeb liegt an einem Treffpunkt des Kuiseb-Fluss, der Sandwüste (erstreckt sich Richtung Süden) und der Schotterwüste (erstreckt sich Richtung Norden). Das Hauptziel der Forschungsarbeit auf Gobabeb ist, das Wissen über aride Ökosysteme und besonders deren Vielfältigkeit zu erweitern. Das Farbenspiel zwischen rotem und fast schwarzem Wüstensand fand ich wunderschön und die Schotterpiste war erstaunlich gut zu befahren. Dabei überquerten wir auch noch den Wendekreis des Steinbocks.

Was für mich Namibia so einzigartig macht ist die wunderschöne Landschaft und die vielen wilden Tiere. Jeden Tag liefen uns Zebras, Springböcke, Zwerg- und Oryxantilopen, Schabrackenschakale und Straussen über den Weg. Zudem kann man einfach irgendwo sein Zelt aufstellen ohne ständig belästigt zu werden. Von Gobabeb aus ging es zurück auf die C14. Auch hier im südlichen Namibia sind die Schotterpisten ziemlich schlecht. Der viele Tourismus sorgt für ein grosses Verkehrsaufkommen was den Zustand der Strassen noch verschlimmert. Zudem sind die Afrikaner einfach nicht fähig die Strassen richtig zu unterhalten.

Auf dem Weg nach Solitaire mussten wir über den Kuiseb Pass und den Gaub River Canyon radeln. Die Temperaturen steigen hier im Januar (Hochsommer) manchmal auf über 45°C. Somit blieb es uns auch hier nicht erspart Unmengen von Wasser durch die Gegend zu schleppen. Täglich benötigten wir fast 12 Liter Wasser pro Person.

Der viele Tourismus hat hier im Süden von Namibia aber auch seine Vorteile. So findet man immer mal wieder Unterkünfte und Campingplätze, wo man Wasser auffüllen kann. Den ersten Ruhetag gönnten wir uns in Solitaire. Der Gründer und Betreiber der Bäckerei in Solitaire („Moose McGregor Desert Bakery“), Percy „Moose“ McGregor, hat Solitaire mit seinem Apfelkuchen berühmt gemacht. Einige bezeichnen ihn sogar als „bester Apfelkuchen in Afrika“. McGregor starb überraschend am 18. Januar 2014.

Die Einheimischen empfahlen uns möglichst auf die kleinen Nebenstrassen auszuweichen. Diese sind oftmals viel weniger befahren und deshalb in viel besserem Zustand. So fuhren wir von Solitaire aus weiter auf der C14 bis nach Büllsport um dort dann auf die D854 auszuweichen, welche an den Naukluftbergen vorbei führt.

Einen Tag später kamen wir dann auf die C27, welche durch das Namib Rand Natur Reservat führt. Wenige Tage zuvor zog ein Gewitterregen durch das Reservat. Dadurch fing sofort das Gras an zu wachsen, was die Tiere hier nutzen um mal ein wenig Abwechslung in ihrem Speiseplan zu bekommen. Wir sahen hunderte von ihnen. Jedoch gibt es auch eine Spezies, die uns hier enorm auf die Nerven ging: Die Fliegen. Zum Glück hatten wir uns zuvor mit Kopfnetzen ausgerüstet und konnten dadurch die Plagegeister einigermassen auf Abstand halten.

Nachdem wir uns einen Tag in Betta auf dem Camping erholt hatten folgte der letzte Abschnitt entlang des Namib Naukluft National Parks. Es ist eine ökologische Schutzregion und beherbergt eine ganze Reihe von Tieren, die sich an diese extrem trockene Wüste angepasst haben. Die Namib ist mit einem Alter von rund 80 Millionen Jahren die älteste Wüste der Welt und zugleich einer der unwirtlichsten Orte des Planeten. Die Trockenheit der Namib ist auf küstennahe, kalte Meeresströmungen zurückzuführen, ähnlich der Atacamawüste in Chile. Seit dem 20. Juni 2013 sind weite Teile der Namib als Namib Sand Sea („Namib-Sandmeer“) UNESCO-Welterbe.

Der gesamte Park ist durch Zäune abgesperrt. Wie es so ist in Afrika haben die Bauern das Konzept kopiert und ihr Land auch gleich eingezäunt. Man fühlt sich wie in einem Gefängnis, wenn es auf beiden Seiten der Strasse nur Zäune gibt. Am schlimmsten aber fand ich die Situation für die vielen Wildtiere. Täglich sahen wir Springböcke, Zebras, Straussen und Antilopen, die sich in den Zäunen verfangen hatten oder dazwischen stecken blieben und dadurch von ihrer Herde getrennt wurden.

Eines Morgens entdeckten wir eine Oryxantilopie, die sich mit ihren Hörnern im Zaun verfangen hatte und Kopfüber darin hing, ganz in der Nähe eines Bauernhofes und noch lebte. Tania machte den Bauern darauf aufmerksam und bat ihn das Tier zu befreien. Dieser lachte nur und meinte er werde den Oryx erschiessen. Die Menschen in Afrika haben einfach kein Bewusstsein für den Lebensraum in dem sie wohnen. Solche Dinge kotzen mich mittlerweile echt an!

Kurz vor Aus kam uns ein Lastwagen mit Schweizer Nummernschild entgegen. Heidi und Max aus Lugano haben ihr Fahrzeug nach Südafrika verschifft und reisen durch Afrika. Sie erzählten uns, dass die Fähre über den Oranje Fluss in Sendelingsdrif wegen tiefem Wasserstand momentan nicht fährt und die Grenze nach Südafrika deshalb geschlossen ist.

Glücklicherweise erzählte uns der Besitzer vom Campingplatz in Aus, dass momentan gerade eine neue Strasse von Rosh Pinah nach Oranjemund gebaut wird und man deshalb das Sperrgebiet auch ohne Permit passieren darf. Ausser einem 30 Kilometer langem Abschnitt konnten wir von Aus her bis nach Oranjemund alles auf asphaltierter Strasse fahren. Was für eine Wohltat nach all den Schotterpisten!

Die Bauarbeiter waren enorm freundlich und hatten einen riesigen Spass an den zwei komischen Velofahrern. Vermutlich sind wir die ersten Spinner, welche hier durchradeln. Etwa 10 Kilometer vor der Grenze nach Alexander Bay machten wir an einem Rastplatz Pause. Dabei hielt ein Auto an. Hannie und Karl leben in Oranjemund und Karl ist der verantwortliche Ingenieur für den Neubau der Strasse. Sie organisierten ein Permit für uns um nach Oranjemund reinzukommen und wir durften für 3 Tage ihre Gäste sein. So lernten wir enorm viel über die Geschichte von Oranjemund, dem Sperrgebiet und den Diamantenmienen kennen.

Das Diamantensperrgebiet hat eine Gesamtfläche von etwa 26.000 km². Im Diamantensperrgebiet fand Zacharias Lewala, der Gehilfe August Stauchs, im April 1908 bei der Instandhaltung der Lüderitz-Eisenbahnstrecke Diamanten. Zum Schutz vor einem unlizenzierten, unkontrollierten Diamantenabbau wurde das gesamte Gebiet von Bernhard Dernburg 1908 zum Sperrgebiet erklärt. Nachdem sich die Diamantenförderung immer stärker in den Atlantik verlagert hat, wurden die starken Zugangsbeschränkungen teilweise abgeschafft und das Gebiet zum Sperrgebiet–Nationalpark proklamiert.

Die Natur und der Ort sind hier wirklich einzigartig. Oryxantilopen spazieren tagsüber einfach durch die Ortschaft. Die Infrastruktur ist enorm gut. Lange Zeit war es nur den Mitarbeitern erlaubt in Oranjemund zu wohnen. Selbst die Familienangehörigen konnten nicht rein. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert und mit dem Bau der neuen Strasse wird sich vermutlich noch einiges tun. Hannie, Karl und ihr Hund Tjoppie sind grosse Naturliebhaber und kennen die Flora und Fauna in der Gegend enorm gut. Wir unternahmen einige Ausflüge zur Küste, in die Wüste und die umliegenden Schluchten. Dabei konnten wir sogar Pelikane beobachten.

Insgesamt habe ich 4 Monate in Namibia verbracht. Die Menschen sind enorm freundlich und hilfsbereit. Ein Leben in der Namib Wüste ist hart. Wasser stellt die wichtigste Resource auf unserem Planeten dar. Hier habe ich gesehen und gelernt wie wertvoll dieses Gut sein kann. Ohne Wasser gibt es kein Leben. Landschaftlich fand ich dies der schönste Ort auf meiner Afrikareise. Mit vielen tollen Erinnerungen verlasse ich dieses Land.