Gastfreundschaft²

Gastfreundschaft²


Gleich nach dem Grenzübergang von Montenegro ging die Strasse richtig runter. Die Temperatur nahm fast nach jeder Serpentine merklich zu. Die Grenze zum Kosovo liegt einiges tiefer. Dort fragte mich der Zollbeamte nach meinem Reiseziel. Nach Afrika wollte er mich nicht reisen lassen. Ich solle mir besser eine Frau im Kosovo suchen und mich niederlassen. Danke für den Vorschlag! Das der Kosovo kein grosses Land ist merkte ich ziemlich schnell. Bereits nach kurzer Zeit kam ich in Peja an.

Die jüngere Geschichte ist durch den Kosovokrieg von 1999 und dessen Folgen geprägt. Der völkerrechtliche Status des Landes ist umstritten. Am 17. Februar 2008 proklamierte das Parlament die Unabhängigkeit des Territoriums. 109 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen erkennen die Republik Kosovo als unabhängig an.

Beim ersten Bankomaten in Peja wollte ich Geld abheben. Dabei sprach mich ein Mann auf deutsch an. Mentor hat mehrere Jahre ein Lebensmittelgeschäft in Hannover geführt und lud mich gleich zum Kaffee trinken in seine Familie ein. Diese wollten mich gar nicht mehr gehen lassen. Dankbar nahm ich ihr Angebot an bei Ihnen zu übernachten.

Mentor lud mich auf eine Spritztour durch Peja mit dem Motorroller ein. Zuerst besuchten wir das Patriarchenkloster.

Mit seinen Kunstschätzen, Gräbern und Schreinen gilt das Patriarchenkloster als Schatzkammer serbischer Geschichte und heiligster Ort der serbisch-orthodoxen Kirche. Im Juli 2006 wurde es in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Gleichzeitig wurde es wegen der rechtlich unklaren Situation des Kosovo und der schwierigen Sicherheitslage auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes eingetragen. Leider durfte man im Innern keine Bilder machen.

Anschliessend fuhren wir noch ein Stück weit in die Rugova Bergen hinein. Besonders im Sommer ist es in diesem Tal spürbar kühler. Deshalb nutzen die Einheimischen den Ort in dieser Zeit sehr gerne.

Ein grossartigeren Start in einem neuen Land hätte ich mir gar nicht vorstellen können. Dankbar verabschiedete ich mich am nächsten Morgen von Mentor und seiner Familie.

Die Temperaturen kratzten mittlerweile schon an der 40° C Markierung. Wenige Kilometer nach Peja fuhr ich in Kliqina ein. Dort gab es ein tolles Wiedersehen mit Driton, meinem Arbeitskollegen und seiner Familie. 3 Tage lang durfte ich bei ihnen zu Gast sein. Zufällig endete genau in dieser Zeit der Ramadan. Während 3 Tagen wird im Anschluss der Bajram gefeiert. Für die muslimische Bevölkerung ist es eines der bedeutendsten und das wohl volkstümlichste Fest. Driton und sein Bruder luden einige Verwandte aus diesem Anlass nach Mitrovica zum letzten Fastenbrechen ein.

Mitrovica wird auch als „das Berlin vom Kosovo“ bezeichnet. Nach dem Kosovokrieg 1999 wurde die Stadt in einen Südteil mit fast ausschließlich albanischer Bevölkerung (ca. 60.000 Einwohner) und einen Nordteil mit überwiegend serbischer (ca. 13.000 Einwohner) Bevölkerung aufgeteilt. In Mitrovica, wo am 17. März 2004 die landesweiten, pogromartigen März-Ausschreitungen begannen und wo sich im Gegensatz zu vielen anderen Orten im Kosovo auch KFOR-Soldaten und UNO-Polizei den in den serbischen Nordteil der Stadt vordringenden Kosovo-Albanern entgegenstellten, gab es die meisten Toten während der März-Ausschreitungen.

Seit Juni 2008 ist der Nordteil von Mitrovica de facto Sitz des Parlaments der serbischen Gemeinschaft der Gemeinden der Autonomen Provinz Kosovo und Metochien, welches von der Regierung in Priština nicht anerkannt wird.

Nach 3 erholsamen Tagen bei Driton und seiner Familie ging es für mich weiter in Richtung Deçan. Auf dem Weg dorthin fuhr ich gezielt ein wenig durch die Dörfer um die Hauptstrassen zu meiden. Auch hier im Kosovo macht es nicht gerade viel spass auf diesen engen Strassen mit dem vielen Verkehr zu radeln. In Dubovik wurde ich schon nach kurzer Zeit erneut von einem Mann auf der Strasse zum Kaffee eingeladen. Sokol hat mehrere Jahre in der Schweiz gearbeitet und betreibt jetzt ein Baugeschäft hier im Kosovo. Dankbar und mit gefülltem Bauch fuhr ich weiter bis Deçan. Dort besichtigte ich das Kloster Visoki Dečani.

2004 wurde das Kloster von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Wegen der rechtlich unklaren Situation des Kosovo und der schwierigen Sicherheitslage wurde es gleichzeitig auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes eingetragen. Die KFOR bewacht das Gebäude nach wie vor. Fotografieren ist im Kloster nicht erlaubt.

Auf der Weiterfahrt folgte schon nach wenigen Kilometern bereits die nächste Einladung. Ein paar Männer bei einer Tankstelle luden mich zu Kaffee und Pizza ein. Agim, der Besitzer, arbeitet in Deutschland und konnte sehr gut Deutsch. Soviel Gastfreundschaft habe ich bis jetzt noch nicht erlebt auf dieser Reise!

Kurz vor Junik stellte ich in einer Kuhweide mein Zelt für die vorerst letzte Nacht im Kosovo auf. Am nächsten Morgen kaufte ich in einem kleinen Supermarket in Junik ein. Der Ladenbesitzer hat eine Zeit lang in Schaffhausen gelebt und der Nachbarsjunge, der während den Sommerferien im Laden aushilft, konnte mit seinen 15 Jahren schon fast perfekt Englisch. Die beiden schenkten mir nach dem Einkauf noch eine Dose Sprite.

Mit all diesen tollen Erlebnissen fuhr ich dann an die albanische Grenze. Auf dem Weg dorthin entschloss ich mich falls irgendwie möglich, nochmals in dieses tolle Land zurück zu kehren. Driton , seiner Familie und all den Menschen die mich hier im Kosovo eingeladen haben möchte ich an dieser Stelle von ganzem Herzen danken.