Monotonie

Monotonie


Am liebsten wäre ich nach den ersten paar Tagen in Sambia gleich wieder aus dem Land ausgereist. In keiner Weise unterscheidet sich hier im Norden das Land von Tansania. Die Strassen waren zwar qualitativ besser aber auch hier gibt es eine Lehmhütte nach der Anderen, die vollgestopft sind mit Menschen. Zudem wird hier Brandrodung in noch grösserem Stil betrieben als in Tansania. Fast kein Flecken Land, der nicht verbrannt ist. Ein total frustrierender und trostloser Anblick. Auch die Versorgung mit Proviant ist echt schwierig. Besonders wenn man Vegetarier ist. Selbst in grösseren Ortschaften findet man kaum schlaue Lebensmittel (Maisbrei kann ich schon gar nicht mehr sehen) und Wasser gibt es fast ausschliesslich nur in 500ml Flaschen zu kaufen. Zum Glück hatte ich noch ein paar grosse Flaschen im Gepäck. Die Temperaturen stiegen mittlerweile auf fast 40°C und somit brauchte ich fast täglich 8 Liter Trinkwasser. So viele kleine Flaschen kann ich unmöglich auf meinem Velo transportieren. Zudem sind die Preise hier in Afrika allgemein ziemlich hoch für Lebensmittel und Wasser. Im Vergleich dazu ist Europa ein Tiefpreiskontinent.

Ein kleiner Lichtblick erfolgte am vierten Tag. In einer kleinen Ortschaft fand ich nach einer Weile einen kleinen Laden. Die Verkäuferin öffnete die Kühltruhe und ich traute meinen Augen kaum, als ich darin eine Flasche Ice Tea sah. Es muss mindestens ein Jahr her sein seit ich das letzte Mal Ice Tea trinken konnte!

Auch die Autofahrer hier in Sambia sind enorm rücksichtslos gegenüber den Velofahrern. Mein Mittelfinger benutzte ich ziemlich oft. Diese Idioten gefährden durch ihre Fahrweise nicht nur sich selbst sondern auch alle anderen Verkehrsteilnehmer. Zudem sind die Fahrzeuge teilweise in echt schlechtem Zustand.

In Mpika gelangte ich auf die Great North Road. Auf dieser Strasse werden viele Güter von der Küste in Tansania (Dar es Salam) nach Sambia importiert. Insbesonders Erdöl, das mit unzähligen Lastwagen (natürlich die berühmt berüchtigten Tansanischen Lastwagenfahrer) durchs Land gefahren wird. Meistens musste ich von der Strasse springen, wenn sie mich in vollem Tempo überholten und dazu noch laut hupten. Innerlich kochte ich Abends richtiggehend vor lauter Wut.

Etwas ausserhalb von Mpika entdeckte ich plötzlich einen Velofahrer am Strassenrand. Jang aus Südkorea ist ebenfalls in Richtung Süden unterwegs. Wir freuten uns beide riesig endlich mal einen Mitfahrer zu haben.

Jang ist vor 17 Monaten von Südkorea aus bis nach Thailand geradelt, hat einige Zeit in Nepal und Ägypten verbracht und ist dann von Uganda aus bis hier her geradelt. Sein Ziel ist Kapstadt. Mit seinen 63 Jahren ist er eher gemütlich unterwegs. Genau das Richtige für mich. Mit ihm zusammen liessen sich die vielen Menschen einiges leichter ertragen. Mit den vielen Bränden hatten wir ziemlich zu kämpfen. Manchmal war die ganze Strasse voll mit Rauch, sodass man (wie bei Nebel) überhaupt nichts sehen konnte und zudem ziemlich mühe mit der Atmung hatte.

Einmal stellten wir unsere in einem Wald auf. Wir hatten schon unser Nachtessen gekocht und wollten uns gerade in unsere Zelte zurück ziehen, als zwei Männer in etwa 100m Entfernung ein Buschfeuer entfachten. Der Wind blies zwar das Feuer weg von uns doch was würde passieren wenn dieser auf einmal drehte? Die zwei Typen schien das nicht sonderlich zu interessieren. Nachdem alles angefangen hatte zu brennen verschwanden sie einfach wieder. Gegenüber solchen Menschen kann ich einfach nur Wut und Enttäuschung empfinden. Irgendwann sagte ich aus lauter Frustration zu Jang: „Die Menschen hier sind bloss so schwarz, weil sie ständig alles in Brand setzen“. Wir mussten beide lachen.

Wir entschieden uns dann auf die andere Strassenseite zu wechseln um nicht Mitten in der Nacht gegrillt zu werden. Jang hatte im Gegensatz zu mir einen Tachometer und schaute immer darauf, dass wir jeden Tag 80km radelten. In Kapiri Mposhi erreichten wir die Hauptstrasse T1 welche nach Lusaka, der Hauptstadt von Sambia, führt. Hier nahm der Verkehr erneut noch einmal zu. In dieser Gegend sah ich zum ersten Mal seit dem Sudan mal wieder richtige Felder, die professionell bewirtschaftet werden. Der Anblick erinnerte mich schon fast ein wenig an Europa und lies einem vergessen, dass man eigentlich in Afrika ist.

Wir waren beide enorm froh als wir nach 13 Tagen endlich die Hauptstadt erreichten und uns eine Woche lang ein wenig in der Wanderers Lodge erholen konnten. Dabei lernten wir Daniel aus Deutschland kennen, der von Kapstadt aus nach Kairo radelt. Zudem traf noch Wesley aus Südafrika ein. Er radelt von Kenia zurück nach Südafrika. Am meisten freute ich mich Olivier aus Lausanne wieder zu treffen. Er ist 6 Monate vor mir von der Schweiz aus los geradelt. Wir waren permanent in Kontakt und durch Zufall kreuzten sich unsere Wege hier. Es war enorm schön endlich mal wieder mit ein paar Velofahrern Erlebnisse auszutauschen.

Leider hatte ich mit ein paar jungen Schweizern die ebenfalls auf dem Camping waren eine kleine Auseinandersetzung, weil sie die Nachtruhe nicht einhielten und ich mich beschweren wollte bei ihnen. Am besten gefielen mir die vielen Supermärkte und Shopping Malls hier in der Stadt. Wenn man die ganze Zeit in kleinen Läden einkaufen muss ist so ein richtig grosser Supermarkt schon etwas tolles. Jang rasierte mir noch die Haare vom Kopf mit seiner elektrischen Maschine. Wir stiegen nach 7 Tagen wieder in den Sattel um nach Livingstone zu radeln.

Die Monotonie ging hier genau gleich weiter wie im Norden. Sambia ist in etwa so gross wie Frankreich, England und Irland zusammen. Jedoch sieht fast alles genau gleich aus. Wie im Rest von Ost- und Zentralafrika wird auch hier die ganze Landschaft abgeholzt. Dadurch sieht man praktisch nur Buschlandschaften. Von Äthiopien bis hier runter. Ich bin mittlerweile ziemlich überzeugt, dass sich Afrika schon ziemlich bald in eine totale Wüstenlandschaft verwandeln wird wenn hier nicht bald einmal ein Umdenken stattfindet. Immer wieder fuhren wir an Unfällen vorbei. Bei der Fahrweise hier überraschte mich dies überhaupt nicht.

Die Strassen hier werden nicht unterhalten. Auf den Seitenstreifen liegen überall Glasscherben und sonstiger Müll rum. Da wir oft darauf fahren mussten um dem Verkehr ausweichen zu können, holten wir uns fast täglich einen Platten. Mit der Zeit tauften wir die Strasse von Lusaka nach Livingstone . Den Rekord in Sachen Pannen schaffte ich mit 3 Platten gleichzeitig (1 Loch im Vorderrad und 2 im Hinterrad). Zum Glück hörte ausser Jang niemand mich beim fluchen. Bei der Suche für ein Nachtlager kam hier ein weiteres Problem hinzu: Wenn nicht gerade irgendwo Leute wohnen ist das Land meistens eingezäunt. Oftmals mussten wir zuerst ein Tor finden um Zugang zu bekommen.

In Livingstone fanden wir im Jollyboys Camp unseren idealen Zeltplatz, wo wir uns ein wenig entspannen konnten nach der fast 1’500 Kilometer langen Fahrt durch Sambia. Doch leider wurde auch hier jede Nacht in der ganzen Stadt durch die Nachtclubs Lärm verursacht. Die Zeiten wo die Afrikaner noch mit Buschtrommeln am Feuer sassen, tanzten und sich gegenseitig unterhielten sind Vergangenheit. Der modernen Afrikaner betrinkt sich im Nachtclub und dreht die Musikanlage bis zum Sonnenaufgang voll auf. Einen ruhigen Platz in Afrika zu finden wo man nur die Tiere und die Natur hören kann ist fast unmöglich.

In Dar es Salam, auf der Sambischen Botschaft, wurde mir versichert, dass mein Visa 3 Monate gültig ist. Jedoch muss man nach jedem Monat auf dem Immigration Office erscheinen und einen neuen Stempel abholen und zwar genau am Tag an welchem das Visa ablauft. Für Individualreisende ein totaler Schwachsinn. Es lebe die afrikanische Bürokratie!

Was mir zudem langsam tierisch auf die Nerven geht sind die ständigen Stromausfälle hier in Afrika. Hier gibt es mehr Wind- und Sonnenenergie als vermutlich sonst irgendwo auf unserem Planeten und die Menschen sind einfach nicht in der Lage diese richtig zu nutzen. Darüber kann ich manchmal nur resigniert den kopf schütteln.

Nach einer Woche in Livingstone entschloss sich Jang weiter in Richtung Botswana zu radeln. Ich musste noch ein paar Tage warten um keine Schwierigkeiten mit meinen folgenden Visas zu bekommen. Somit wurde es Zeit uns zu verabschieden. Vielen Dank für die tolle Zeit Jang!