Polizeieskorte

Polizeieskorte


Die Fahrt mit der Fähre übers Rote Meer von Aqaba nach Nuweiba verlief problemlos. Noch auf dem Schiff bekam ich einen Einreisestempel in meinen Pass. Mit ziemlichen Schlafentzug stieg ich zum Sonnenaufgang in die Pedalen und fuhr 10km weiter nördlich ins Saraya Beach Camp in Tarabin. Dort konnte ich direkt am Strand mein Zelt aufstellen. Letzten Monat stürzte im Nord Sinai ein russisches Passagierflugzeug ab. Die meisten Fluggesellschaften haben ihre Flugverbindungen nach Sharm el- Sheikh eingestellt. Für den Tourismus hier am Roten Meer im Süd Sinai ist dies verheerend. Ich sah in den zwei Tagen die ich in Tarabin verbrachte keinen einzigen Touristen.

Auf Grund der Neuwahlen, die Anfangs Dezember in Ägypten stattfinden, ist die Situation im ganzen Land zur Zeit ein wenig angespannt. Mein Ziel war es ursprünglich die Fähre von Sharm el- Sheikh nach Hurghada zu nehmen. Diese Verbindung existiert seit einiger Zeit jedoch nicht mehr. Eigentlich gibt es auch eine Strasse quer über die Halbinsel. Diese ist jedoch für Ausländer gesperrt. Von anderen Velofahrern hörte ich, dass man bei der Fahrt um den Sinai zum grössten Teil von der Polizei eskortiert wird. Darauf hatte ich echt keine Lust.

Nachdem ich im Saraya Camp meine Reifen gewechselt hatte und mich zwei Tage erholte, fuhr ich früh morgens los nach Dahab. Die Landschaft hier ist einmalig und die Ägypter verstehen, im Gegensatz zu den Jordaniern, wie man Bergstrassen baut. Einzig der Gegenwind und ein Platten 15km vor Dahab machten mir ein wenig zu schaffen. In Dahab quartierte ich mich im Seven Heaven Hostel ein. Dort lernte ich Soheir und Alois kennen. Sie verbringen seit längerer Zeit den Winter hier in Ägypten. Ich wurde von ihnen gleich mehrmals zum Nachtessen eingeladen und mit Alois unternahm ich dann auch einen Schnorchel Ausflug. Die Unterwasserwelt hier ist wirklich fantastisch.

Der Freilauf meiner Hinterrad Nabe dreht schon seit einiger Zeit nicht mehr richtig. Zum Glück konnte ich über Mail mit Tom vom Veloladen Leuthold veloladen-leuthold.ch versuchen das Problem zu beheben. Seine Hilfe war einfach Gold wert. Das Ergebnis konnte sich zeigen lassen. Vielen Dank Tom!

Am dritten Tag wollte ich eigentlich den Bus nach Kairo nehmen. Am Morgen kaufte ich ein Ticket am Schalter und zahlte nochmals einen Zuschlag für mein Velo. Als ich am Abend wieder zurück kam wollte der Fahrer dann mein Velo doch nicht einladen. Das Velo mit Gepäck würde zuviel Platz weg nehmen. Ich versuchte ein paar Lösungsvorschläge zu machen. Der Fahrer wurde jedoch immer lauter und richtig agresiv. Diskutieren hatte keinen Sinn. So versuchte ich halt mein Geld wieder zurück zu bekommen. Ebenfalls ohne Erfolg.

Wutentbrannt verliess ich die verdammte Busstation. Zum Glück halfen mir Alois und der Besitzer vom Seven Heaven am nächsten Tag eine Alternative zu finden. In Ägypten dürfen, genau wie in Jordanien. nur lizenzierte Autos Touristen befördern. Hatem, der Sohn vom Besitzer, wollte am nächsten Tag seine Familie in Kairo besuchen und bot mir an für 200.- $Dollar mit ihm im Minibus mit zu fahren. Da ich keine andere Wahl hatte willigte ich ein. Bei Soheir und Alois möchte ich mich ganz herzlich für ihre Gastfreundschaft und die Hilfe bedanken.

In Kairo fand ich dann eine ziemlich schmutzige Absteige. Hygiene ist in vielen Unterkünften in Ägypten ein Fremdwort. Ein sauberes, bezahlbares Bett mit Badezimmer zu finden (bei dem auch die Dusche funktioniert) grenzt schon fast an ein Wunder.

Kairo ist die Hauptstadt Ägyptens und die größte Stadt der arabischen Welt. Kairo hat 7,9 Millionen Einwohner im administrativen Stadtgebiet (2008) und die Metropolregion ist mit etwa 16,2 Millionen Einwohnern (2009) vor Lagos in Nigeria die größte in Afrika. In Ägypten existiert allerdings keine Meldepflicht, weswegen die angegebenen Einwohnerzahlen Hochrechnungen auf Basis der Volkszählungsergebnisse darstellen. Inoffizielle Schätzungen geben bis zu 25 Millionen Einwohner für den Großraum an, was nahezu ein Drittel der Gesamtbevölkerung Ägyptens bedeuten würde.

Auf dem Mogamma versuchte ich dann mein Visa zu verlängern. Computer sind bei den ägyptischen Behörden noch nicht vorhanden. Alles muss von Hand ausgefüllt werden und dauert dem entsprechend seine Zeit. Nach zwei Tagen hatte ich mein Visa auf drei Monate verlängert.

Von Kairo aus wollte ich eigentlich nach Westen durch die Weisse und Schwarze Wüste fahren. Von Peter Wirth (einem deutschen Hotelbesitzer und Touren Anbieter in Bahariya) erfuhr ich jedoch dass die gesamte westliche Wüste momentan für Ausländer gesperrt ist. So blieben nur noch zwei Varianten offen: Entweder durch die Östliche Wüste (via Hurghada nach Luxor) oder dem Niltal entlang.

Einen Teil der östlichen Wüste hatte ich schon bei der Busfahrt von Dahab nach Kairo durchquert. Diese Einöde wollte ich mir ersparen. Dem Niltal entlang soll die Sicherheitslage auch nicht so einfach sein und man wird als Velofahrer bestimmt eskortiert. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch fuhr ich am nächsten Tag los.

Die Bedingungen hier wären einfach traumhaft. Zum ersten Mal auf meiner Reise flache Strecken mit schönen Landschaften und Rückenwind vom Feinsten. Die erste Nacht konnte ich unter Polizeischutz in einer koptischen Kirche in Beni Suef verbringen.

Kopten sind eine ethnisch-religiöse Gruppe, mit der heute meist die Angehörigen der koptischen Kirchen bezeichnet werden. Ursprünglich bezeichnete der Ausdruck diejenigen Einwohner Alexandriens und ganz Ägyptens, die als ihr Idiom die ägyptische Sprache verwendeten. In römischer, byzantinischer und frühislamischer Zeit wurde das Wort ohne Rücksicht auf die Religionszugehörigkeit gebraucht. Seit der zunehmenden Arabisierung und Islamisierung Ägyptens wird der Begriff allein für die Christen der koptischen Kirchen verwendet.

Bereits nach wenigen Kilometern war am nächsten Tag mein Veloabenteuer in Ägypten zu Ende. Beim ersten Checkpoint musste ich mein Velo mitsamt Gepäck auf einen Pick Up der Polizei verladen. Bis nach Luxor wurde ich zwei Tage lang eskortiert. Meistens musste ich nach 20km wieder das ganze Gepäck mit Velo in ein anderes Fahrzeug umladen. Ein Pneu ging dabei zunichte, mein Ledersattel war völlig verkratzt und der Rahmen hatte an einigen Stellen Kratzer abbekommen.

In Luxor versuchte ich mich ein paar Tage zu erholen. Auch hier hat sich der Tourismus stark zurück gezogen. Die Leute versuchen einem richtig energisch etwas zu verkaufen. Ägyptische Hilfsbereitschaft sollte man immer skeptisch betrachten. Trotzdem kam ich mit ein paar sehr netten Menschen in Kontakt. Meine Lieblingsmahlzeit hier ist das Fallafel Sandwich. Gut, günstig und vegetarisch.

Von Luxor aus durfte ich wieder 60km alleine fahren bis mich die Polizei erneut stoppte und bis nach Aswan eskortierte. Der Ablauf ist immer genau gleich. Man kann sich das Prozedere ungefähr so vorstellen:

Vier Polizisten begleiteten mich meistens auf dem Fahrzeug. Da alle von den Typen entweder Mohammed, Achmed oder Achmud heissen, gab ich ihnen eigene Namen.

Dumpfbacke und Mondgesicht sassen meistens hinten bei meinem Gepäck auf der Ladefläche. Dumpfbacke hat meistens als Einziger eine Waffe (Kalaschnikow). Mondgesicht spricht zwei bis drei Wörter Englisch und spielt den Entertainer, wenn ich mal hinten sitzen darf.

Kamikaze steuert das Fahrzeug in halsbrecherischem Tempo durch die Gegend.

Mundgeruch ist der Ranghöchste Beamte und stinkt oftmals ziemlich aus dem Mund (man wird bei der ägyptischen Polizei anscheinend nach diesem Kriterium befördert). Ich durfte mich dann jeweils zwischen die zwei Jungs einquetschen.

Wenn einer von den Polizisten mal ein bisschen Englisch sprach entstanden auch ein paar interessante Unterhaltungen. Einer wollte mal wissen ob man in der Schweiz tatsächlich als unverheiratetes Paar zusammen leben darf. Na Logo! Das schien seine Vorstellungskraft schon zu übersteigen. Schade, ich hätte ihm noch ganz andere Dinge auftischen können.

Das Landleben hier finde ich enorm faszinierend. Alles was Räder, Hufen oder Füsse hat ist auf den Strassen unterwegs. Bereits der kleinste Hosenscheisser fährt mit irgend einem motorisiertem Gefährt durch die Gegend.

In Aswan fand ich auf der westlichen Seite vom Nil (im nubischen Dorf) bei Adam’s Home Overland Camp einen idyllischen Ort, wo ich mein Zelt aufstellen konnte. Einzig die Hunde machten einen riesigen Radau in der Nacht. Mo, der sehr gut Englisch spricht, half mir ohne eine Gegenleistung bei vielen Dingen. Solche Leute findet man sehr selten in Ägypten. Ein toller Mensch! Bei ihm zu Hause konnte ich auch mein Velo und Gepäck für einige Zeit einstellen.

Mit dem Zug geht es jetzt zurück nach Kairo, wo mich meine Mutter über Neujahr besuchen kommt und ich mich ein wenig von den Strapazen erholen kann.