Stop and go

Stop and go


Die Fahrt mit der Fähre verlief reibungslos und bereits am nächsten Nachmittag kam ich in Oarai am Hafen an. Begrüsst wurde ich dort in der zweiten Nacht von einem Taifun.

Zuerst fing es an zu regnen und gegen Mitternacht fiel der tropische Wirbelsturm mit voller Wucht auf das Festland. Mit aller Kraft musste ich mein Zelt festhalten um nicht davon geblasen zu werden. An Schlaf war in dieser Nacht nicht mehr zu denken.

Zurück in Tokio konnte ich meinen Brooks Sattel, der nach zweieinhalb Jahren langsam abgenutzt ist, ersetzen. Der Sattel, eine neue Kreditkarte und weitere Ersatzteile schickte mir meine Mutter mit der Post an Nicole (eine ehemalige Klassenkollegin, die in Tokio lebt).

Ein Packet mit Ersatzteilen durch die halbe Welt zu schicken ist nicht so einfach. Ein grosses Dankeschön an dieser Stelle an den Veloladen Leuthold veloladen-leuthold.ch, meine Mutter und Nicole für die ganze Organisation.

Da mein Visa langsam ablief und ich unbedingt noch einen alten Weggefährten besuchen wollte, musste ich bald wieder in den Sattel steigen. Nach 3 Tagen erreichte ich das Bergdorf Jukkoku. Dort lebt Clive seit 1 Jahr.

Ich hatte ihn zum ersten Mal im Sudan und danach noch einmal in Äthiopien getroffen. Er stammt ursprünglich aus England, lebt aber seit fast 25 Jahren in Japan. Er lud mich ein für ein paar Tage mit ihm im Kakurinbo Tempel zu verbringen, wo er arbeitet.

Dort konnte ich bei einer Nō-Theateraufführung mithelfen und bekam so auch die einmalige Gelegenheit diese einmal selbst zu sehen. Nō (jap. 能) ist eine Form des traditionellen japanischen Theaters, das traditionell nur von Männern gespielt (getanzt) und musikalisch begleitet wird. Meist trägt der Hauptdarsteller (Shite) eine Maske.

Die Zeit verging wie im Fluge und nach 4 Tagen musste ich mich bereits wieder verabschieden von Clive. Mit viel Verkehr ging es auf engen Strassen weiter. Doch schon ziemlich bald kam bereits der nächste Besuch.

Noguchi- san (eine Künstlerin, die ebenfalls im Tempel arbeitet) und ihr Mann hatten mich eingeladen. Während 3 Tagen wurde ich von ihnen nach allen Regeln der Kunst beherbergt.

Zur gleichen Zeit fand gerade das Otsukimi statt, welches wir in Yoro besuchten. Tsukimi (jap. 月見, dt. „Mondschau“), auch Otsukimi (お月見), ist ein japanisches Fest zur Ehre des Herbstmondes als japanisches Äquivalent des chinesischen Mondfests.

Mir viel es nicht einfach nach so vieler Gastfreundschaft wieder weiter zu fahren. Weiter ging es durch die Berge nach Kyoto. Dort wollte ich dann einige Tempel besichtigen. Bei strömenden Regen kam ich dort an.

Die Menschen in Japan reisen wie die Chinesen immer in grossen Gruppen. Beim ersten Tempel kamen Busladungen voll Menschen angefahren. Auf solche Situationen reagiere ich mittlerweile sehr allergisch. Da hilft nur noch die Flucht.

So verzichtete ich fortan auf den Besuch von Sehenswürdigkeiten. Die Insel Honshu ist ziemlich dicht besiedelt. Meistens hatte ich grosse Schwierigkeiten einen Schlafplatz zu finden und musste nach einem langem Tag noch einige Zeit durch die Gegend fahren, bis ich einen Schlafplatz fand.

Spielplätze fand ich bei trockenem Wetter fast am besten. Jedoch musste ich auch oftmals wieder ein Dach über dem Kopf suchen, da es immer wieder stark regnete und alles unter Wasser stand.

Wirklich geniessen konnte ich die Zeit auf dem Rad jedoch nicht. Die engen Strassen und der viele Verkehr zerrten mit der Zeit an meinen Nerven. Zum Glück sind die Japaner aber ziemlich rücksichtsvoll (abgesehen von den Lastwagenfahrer).

Ein weiteres Problem sind die vielen Ampeln. Auf 100 Metern folgen meistens gleich mehrere Ampeln. Ständig musste ich wieder anhalten und kam nie in einen Rhythmus. Die Erfindung eines Kreisverkehrs ist noch nicht in Japan angekommen.

In Hiroshima durfte natürlich ein Besuch des Peace Memorial Parks nicht fehlen. Die US-amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima am 6. August und Nagasaki am 9. August 1945 waren die beiden ersten und bislang einzigen Einsätze von Atomwaffen in einem Krieg.

Neben dem Denkmal besuchte ich auch das Museum. Dort fand ich es interessant einmal die Japanische Sichtweise dargestellt zu kriegen. Einige Passagen unterscheiden sich ziemlich von unseren Geschichtsbüchern.

Die Atombombenexplosionen töteten insgesamt ca. 100.000 Menschen sofort – fast ausschließlich Zivilisten und von der japanischen Armee verschleppte Zwangsarbeiter. An Folgeschäden starben bis Ende 1945 weitere 130.000 Menschen. In den nächsten Jahren kamen etliche hinzu.

Die letzte Etappe bis nach Shimonoseki hatte ich nach einigen Tagen geschafft. Bei strömendem Regen erreichte ich dort den Hafen und war froh noch am selben Abend eine Fähre nach Busan in Südkorea nehmen zu können.

An dieser Stelle möchte ich mal ausnahmsweise kein Fazit abgeben sondern mich einfach zutiefst bei allen Menschen in Japan bedanken. Noch selten in meinem Leben habe ich solch freundliche und tolle Menschen getroffen. Täglich war ich total überwältig von ihrer Herzlichkeit.

Jedes mal wenn ich mal wieder ein Tief hatte stellte mich jemand mit einer kleinen Geste wieder auf und wenn es bloss ein Lächeln oder ein hochgestreckter Daumen war. Schön, dass es noch ein Land auf diesem Planeten gibt wo das Prinzip “leben und leben lassen“ funktioniert.

Auch die Sicherheit hier ist unglaublich. Selbst in den Grossstädten hatte ich nie Bedenken, dass mir etwas geklaut werden könnte. Japan werde ich für immer in guter Erinnerung behalten und hoffe eines Tages wieder zurück zu kommen. Arrigato gosaimas- ihr seit die Grössten!