Wüsten Autobahn

Wüsten Autobahn


Bevor ich Amman verlassen konnte musste ich noch einige Sachen erledigen. Zufällig entdeckte ich in Jabal Amman das Büro von Tropical Dessert. Diese organisieren Klettertouren in ganz Jordanien. Sie luden mich spontan zu einem Ausflug nach Ajlun ein. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich so die Möglichkeit mal wieder meine Klettertechnick zu testen. Beim Velofahren benützt man definitiv andere Muskeln als beim Klettern. Das spürte ich ganz deutlich am Tag danach. Ohne Training geht halt eben gar nichts!

Die Temperaturen hier im Norden von Jordanien sanken in der Nacht langsam unter 10° Grad. Bevor definitiv der Winter sich meldet versuchte ich deshalb in den Süden zu gelangen. Mein ursprünglicher Plan war es zuerst nach Norden zu fahren und dann durch die Wüste von Azraq nach Ma’an in den Süden. Die Gegend gilt jedoch nicht gerade als sicher.

Dadurch blieben mir gerade noch 2 Alternativen. Entweder den Kings- oder den Desert Highway zu nehmen. Den Kings Highway hatte ich schon vor 2 Wochen mit meiner Mutter per Taxi befahren. Ich mag Berglandschaften sehr. Jedoch haben die Jordanier definitiv keine Ahnung wie man Bergstrassen baut. Steigungen unter 10% Steigung sind eine echte Seltenheit. Ich entschied mich deshalb für den Desert Highway. Schon an der ersten Tankstelle in Al Jizah durfte ich gleich mein Zelt hinter dem Gebäude aufstellen. Die Mitarbeiter kümmerten sich wunderbar um mich.

Ein paar Kilometer weiter entschloss ich mich die Abzweigung nach Umm ar- Rassas zu nehmen. Umm ar-Rasas war eine ummauerte Siedlung und enthält Ruinen aus römischer und byzantinischer Zeit sowie des frühen Islam. Bisher konnte nur ein kleiner Teil von Umm ar-Rasas ausgegraben werden. Dazu gehört ein römisches Militärlager von 150 x 150 Meter Fläche, dessen Außenmauer an den Ecken mit Türmen verstärkt ist.

Aus byzantinischer Zeit stammen Reste eines Turms, der von ersten christlichen Mönchen genutzt wurde, sowie einige Kirchen. Darunter befindet sich eine dem heiligen Stefanus geweihte Kirche mit Mosaiken aus der Zeit der Umayyaden. Sie zeigen Stadtansichten aus Jordanien, Palästina und Ägypten. Dies waren mit Abstand die eindrücklichsten Mosaike, welche ich bis anhin in Jordanien gesehen habe. Seit 2004 gehört Umm ar-Rasas zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Die Touristen Polizei erlaubte mir im Besucher Zentrum zu übernachten. Ich wollte gerade mein Zelt im Innenhof aufstellen, als die Beamten ganz entsetzt aus ihrem Büro stürmten. Draussen könne ich unmöglich übernachten. Viel zu kalt war ihre Begründung. Ich musste innerlich lachen. Sie liessen mich dann im Museum schlafen. In einem Weltkulturerbe Museum haben glaube ich noch nicht viele Menschen bis anhin die Nacht verbracht.

Dies sollte bei weitem jedoch nicht der exklusivste Schlafplatz bleiben. Zurück auf dem Highway wurde ich immer wieder von Lastwagenfahrern zu Schei (Tee) oder Kaffee eingeladen. Ähnlich wie in der Türkei hatte ich am Abend jeweils mehr Schwarztee als Wasser in mich hinein geschüttet. Aber auch sonst hielten viele Leute spontan an um sich mit mir zu unterhalten. So beispielsweise das Team von Cycling Jordan, die sich auf Veloreisen in Jordanien spezialisiert haben.

Mich wunderte es hier so viele Lastwagen anzutreffen. Aufgrund der vielen Konflikte im Mittleren Osten ist dieser Highway einer der wenig sicheren Verbindungen zwischen dem Roten Meer und dem Norden. Der Highway wird extra von einer Spezialeinheit der Polizei überwacht. Der sogenannten Highway Patrol. Im Abstand von 50km findet man immer einen Polizeiposten von ihnen. In Sad as Sultani fragte ich dann gleich nach ob ich bei einem dieser Posten mein Zelt aufstellen dürfe. Der Leiter der Station erklärte mir umgehend, dass ich heute Nacht ein Team Mitglied sei. Ich bekam ein mega leckeres Nachtessen aufgetischt und durfte mit dem Chef in seinem geheizten Büro Filme schauen. Seine Leute mussten während dessen draussen in der Kälte Fahrzeuge kontrollieren.

Leider wird nicht viel in den Unterhalt der Strasse investiert. Das rächte sich für mich schon ziemlich bald. Besonders am Strassenrand, wo ich mit meinem Traktor fahren musste, lagen allerlei Schrottteile rum. An einem Tag fing ich gleich 3 Platten auf 1km Länge ein. Zum Glück verstehen die Leute hier kein Schweizerdeutsch. Ich fluchte was das Zeug hielt. Den exklusivsten Schlafplatz bekam ich an diesem Abend.

Bei der Ankunft in Al Husayniyah zeigte mir meine Karte, dass jetzt lange Zeit nur noch Wüste folgen wird. So fragte ich spontan beim ersten grossen Haus, ob es hier einen Platz für mein Zelt hat. Auch diesmal bekam ich gleich einen Raum zum schlafen. Der Gastgeber und sein ältester Sohn luden mich gleich zum Mänsäf essen ein. Das traditionelle Essen der Beduinen. Sein Vater arbeitete anscheinend eng mit dem König von Jordanien (Abdullah II. bin al-Hussein) zusammen und dessen Vater soll angeblich schon im gleichen Raum wie ich übernachtet haben. Nicht schlecht!

Die Gastfreundschaft ebnete auch am nächsten Tag nicht ab. Ein heftiger Gegenwind brachte mich an diesem Tag fast zur Verzweiflung. Völlig erschöpft erreichte ich an diesem Tag Al Muraygha. Beim ersten Gebäude fragte ich gleich nach einem Zeltplatz. Dies entpuppte sich als kleines Spital. Ich bekam eine Matratze und durfte im Wartezimmer schlafen. Zudem bekam ich Falafel mit Humus und Fuul aufgetischt. Eines meiner Lieblingsessen hier in Jordanien.

Der leitende Arzt hat 7 Jahre in Kiev Medizin studiert und sprach sehr gut Englisch. So erfuhr ich ein wenig was für Auswirkungen die Unsichere Lage hier im Mittleren Osten auf die Bevölkerung hat. Die Mietpreise, besonders in den Städten, sind in den letzten Jahren enorm gestiegen und die Löhne gleichzeitig gesunken. Die meisten Leute müssen sich mit 2 oder mehreren Jobs über Wasser halten um ihre Familien ernähren zu können.

Das berühmte Wadi Rum wollte ich mir nicht entgehen lassen und nahm dann auch diese Abzweigung noch unter die Räder. Leider muss man am Eingang des Tals 5 Dinars (≈ 7 Euro) Eintritt bezahlen. Ohne Jeep oder Dromedar kommt man hier nirgendwo hin. Eigentlich plante ich zuerst ein paar Tage in dem Tal zu verbringen. Rum, das einzige Dorf im Tal, war mir aber eine Spur zu touristisch. Nach einer Nacht fuhr ich gerne wieder weiter in Richtung Aqaba.

Aqaba liegt direkt am Roten Meer. Bei der Abfahrt von Wadi Rum nach Aqaba nahm die Temperatur stetig zu und erreichte am Schluss fast 30° Grad. Hier kann man umsonst sein Zelt am Strand aufstellen. Ich entschloss nach 2 Tagen die Fähre aufs ägyptische Festland zu nehmen. Am Zoll beim Hafen hatte ich dann leider doch noch ein negatives Erlebnis. Die Beamten wiesen mich darauf hin, dass bei meiner Einreise nur ein 1 Monat gültiger Stempel gedruckt wurde. Ich habe jedoch ein 3 Monate gültiges Visa im Pass. Das wollten sie nicht akzeptieren. Meine Meinung war ihnen völlig egal. Schlussendlich musste ich eine Busse von 16 Dinar bezahlen. Die elenden Beamten haben mein Bild von Jordanien am Schluss leider noch ein wenig getrübt.

Trotzdem ist für mich Jordanien eine absolut positive Überraschung gewesen. Eine solche Gastfreundschaft habe ich noch fast nie auf meinen Reisen erlebt. An dieser Stelle möchte ich mich einfach ganz herzlich bei allen Menschen bedanken für die unvergessliche Zeit, die ich hier verbringen durfte.