Zweigeteilt

Zweigeteilt


Am Hafen von Tasucu lerne ich Alexander kennen. Er ist von Sotschi (Russland) aus los geradelt und will nun noch die restlichen 4 Wochen seiner Reise auf Zypern verbringen. Er spricht nur russisch, aber wir finden trotzdem einen Weg zu kommunizieren. Unsere Fähre sollte eigentlich genau um Mitternacht losfahren. Alexander und ich sind die einzigen Touristen auf der Fähre. Das beladen der Fähre dauert ewig lange. Gegen 1:00 Uhr wird uns langsam klar, dass wir uns verspäten. Ich dachte immer, die Deutsche Bahn wäre unschlagbar in Sachen Verspätungen. Aber anscheinend habe ich hier einen echten Konkurenten gefunden. Erst um 4:00 Uhr beginnt der Motor zu laufen.

Am Zoll in Girne müssen wir noch fast 2 Stunden mit warten verbringen bis wir dann endlich an Land dürfen.

Linksverkehr! Am Anfang bin ich völlig irritiert. Es braucht eine ganze Weile bis ich mich an den Strassenverkehr gewöhnt habe. Beim Einkauf im Supermarket stellen wir fest, dass die Produkte hier eindeutig teurer sind als auf dem Festland. Kein Wunder, den schliesslich muss ja fast alles importiert werden. Ausserhalb der Stadt nimmt der Verkehr rapide ab. Wir machen einen Zwischenhalt bei einem Kriegsdenkmal das an den Zypernkonflikt erinnert.

Der Zypernkonflikt besteht zwischen griechisch-zypriotisch und türkisch-zypriotisch denominierten Gebieten über die Staatsgewalt auf Zypern. In seinem Verlauf wurde im Sommer 1974 der Norden der Insel (und damit ein Drittel des Staatsgebietes der Republik Zypern) von türkischen Streitkräften besetzt, nachdem griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland durchsetzen wollten. Im türkisch besetzten Norden wurde im November 1983 die – international nicht anerkannte – Türkische Republik Nordzypern proklamiert, die heute ein stabilisiertes De-facto-Regime bildet.

Obgleich eine politische Lösung mittelfristig nicht in Sicht zu sein scheint, ist heute nach Jahren von Trennung dennoch eine Phase guter wirtschaftlicher und sozialer Kontakte entstanden.

An einer Klippe schlagen wir unser Nachtlager auf und sehen beim Nachtessen der Sonne zu, wie sie im Meer verschwindet. Was will man mehr? Die Gastfreundschaft ist auch hier ganz toll. Immer wieder laden uns die Leute zu einem Kaffee oder Tee ein.

Zwei Tage später muss ich mich bereits wieder von Alexander verabschieden. Er darf mit seinem russischen Pass nicht in den griechischen Teil einreisen. Das hier einige alte Wunden noch nicht verheilt sind werde ich auch bald am eigenen Leib erfahren.

Während der nördliche Teil noch relativ flach ist, beginnt direkt nach der Grenze das eigentliche Bergmassiv. Auf einmal gibt es kein Hupkonzert mehr und die Autofahrer überholen richtig mit Abstand. Teilweise reduzieren sie sogar die Geschwindigkeit! Die Strassen sind auch hier enorm steil. Sobald man aber irgendwo auf einem Pass ankommt, wird man mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. An einem Morgen stelle ich fest, dass meine Essensvoräte zu neige gehen. Dummerweise ist genau an diesem Tag irgend ein Festtag und die Geschäfte haben alle geschlossen. Im ersten Dorf werde ich gleich zum Frühstück bei der Familie Simeonidou eingeladen. Die Grossmutter schenkt mir noch ein riesiges Lunch Paket. Mein Tag ist gerettet.

Hier in den Bergen finde ich alles, was mir am Tourenfahren so gefällt. Wunderschöne Berglandschaften. Strassen mit fast keinem Verkehr und traumhafte Zeltplätze. Zudem sprechen die meisten Menschen hier sehr gut Englisch. Eigentlich ein absolutes Paradies. Doch leider wird meine Vorstellung am nächsten Tag drastisch dezimiert.

Ein grosses Ziel meiner Afrika Reise ist es, ohne Flugzeug den Kontinent zu umradeln. In Limassol versuche ich auf dem Büro von Salamis einen Platz auf einem Frachtschiff zu ergattern. Die Dame am Empfang telefoniert kurz mit dem Kapitän und teilt mir mit, dass keine Plätze mehr frei sind. Das ist ein Tiefschlag für mich. Zum Glück lerne ich kurze Zeit später auf der Strasse Vakis kennen. Er ist selber leidenschaftlicher Velofahrer und gibt sich alle mühe mir zu helfen.

Meine Stimmung ist jedoch auf dem Tiefpunkt und nach einer Weile verabschiede ich mich von ihm. Die Hotel Preise sind enorm hoch hier und weit ausserhalb von meinem Budget. So verbringe ich die 3 Wochen auf Zypern halt in meinem Zelt. Am Flughafen von Larnaka kommt dann die nächste schlechte Meldung. Israel erlaubt die Einreise nur mit einem Rückflugticket. Zudem müsste ich für den Transport von meinem Velo nochmals 200 Euro extra zahlen. In Larnaka finde ich abermals ein Büro von Salamis. Dort erfahre ich, dass man nur per Flugzeug den griechischen Teil verlassen darf wenn man über die türkische Seite eingereist ist. Was für ein unglaublicher Schwachsinn! Mir kommt das ganze ein wenig suspekt vor. Deshalb radle ich noch am gleichen Tag in Richtung Lefkosia. Die Hauptstadt des Landes.

Die Stadt gehört völkerrechtlich in ihrer Gesamtheit zur Republik Zypern, die jedoch seit der Invasion der türkischen Streitkräfte im Juli 1974 und der Proklamation der Türkischen Republik Nordzypern im November 1983 de facto keine Hoheitsrechte über den Nordteil Nikosias ausübt. Seither wird die Stadt durch eine „Grüne Linie“ geteilt, die von Friedenstruppen der Vereinten Nationen, der United Nations Peacekeeping Force in Cyprus(UNFICYP), überwacht wird. Am 3. April 2008 wurde in der Ledrastraße die erste Grenzübergangsstelle innerhalb der Altstadt (nur für Fußgänger) geöffnet.

Dort empfehlen mir die Zollbeamten nochmals nach Limassol zu fahren. Ich sei mit meinem Schweizer Pass berechtigt die Insel per Schiff zu verlassen. Da ich die Berge schön fand und mich an jeden Lichtblick zu klammern versuche, befolge ich ihren Rat und fahre nochmals durch die Berge.

Am Hafen in Limassol werde ich diesmal auf ein anderes Büro von Salamis verwiesen. Dort empfiehlt man mir in 4 Tagen nochmals vorbei zu kommen. Mit etwas Glück wäre dann vielleicht noch ein Platz frei. Das kingt schon besser. In den 4 Tagen kann ich, zum ersten Mal seit 3 Wochen, wieder ein paar Ruhetage einschalten. Frisch gestärkt betrete ich danach wieder das Büro. Dort erfahre ich, dass das Schiff leider voll ist und ich nicht ausreisen darf am Hafen. Wieso hat man mir das nicht schon vor 4 Tagen gesagt? Mit einem lauten “Fuck You“ verlasse ich völlig wutentbrannt das Büro. Diese Griechen sind einfach Weltmeister in Sachen inkompetenz!

Eigentlich wollte mich meine Familie in Israel besuchen. Als ich dann, zum ersten Mal seit Wochen, mich im Internet einlogge erfahre ich von den Unruhen in Israel. Nach einem langen Gespräch per Skype mit meiner Mutter, entschliessen wir uns diesen Plan zu begraben. Safety first.

Mein Entschluss steht nun fest. Ich werde mit dem Flugzeug von Larnaca nach Amman (Jordanien) fliegen. Die idiotische Bürokratie der Griechen und die angespannte Lage in Israel sind mir ein Dorn im Auge. Ich möchte gerne sicher und ohne grosse Hürden reisen. Zudem muss man manchmal halt seine Prinzipien ändern. Zwei Tage später ist mein Traktor sauber verpackt und das Flugticket in der Tasche. In wenigen Stunden werde ich die Insel verlassen.

Die Menschen hier auf Zypern haben mich mit ihrer Gastfreundschaft sehr überrascht. Auch landschaftlich fand ich es einfach traumhaft. Leider ist die Insel nicht nur auf der Karte, sonder auch in den Köpfen vieler Menschen, immer noch zweigeteilt. Beim Abflug muss ich an ein Zitat von Mahatma Gandhi denken: “Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg“.