Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer


Am Freitagmorgen verabschiedete ich mich von Tim. Tine wollte mich noch ein Stück weit mit dem Rennvelo begleiten.

Jedoch machte mein Hinterrad schon nach kürzester Zeit komische Geräusche. Wir konnten nichts feststellen und entschlossen uns einen Veloladen zu suchen. Beim ersten Laden hatte der Mechaniker zwar keine Zeit, konnte aber schon mal eine erste Diagnose geben: die Achse am Hinterrad war gebrochen! Erst nach längerer Suche fanden wir endlich einen Laden, der uns helfen konnte. Beim aufschrauben der Nabe purzelten die gebrochenen Teile schön heraus. Wie dasSchicksal so will, war keine neue Shimano Nabe aufzutreiben. Glücklicherweise konnten sie aber die demolierte Nabe ausbauen und eine günstigere Variante wieder neu einspeichern.

Die ganze Aktion dauerte fast bis 15:00 Uhr und mir wurde klar, dass ich es heute nicht mehr bis zu Otto in Ridderkerk schaffen würde. Zum Glück begleitete Tine mich noch fast 50km bis zur Fähre nach Visslingen. Ohne ihre Hilfe wäre ich wohl in Belgien stecken geblieben. Thank you very much Tine for your help!

Von Visslingen aus führt ein vernetztes Damm System über viele kleinere Inseln bis zum eigentlichen Festland in Rotterdam. Soweit kam ich an diesem Tag nicht mehr. Dafür genoss ich einen wunderschönen Sonnenuntergang über dem Meer und fand an einem Strand den geeigneten Schlafplatz. Zufälligerweise hatte sich Harry, ein weiterer Velofahrer, sich auch dort breit gemacht. Er ist ein pensionierter Elektroingenieur aus Holland und fährt jeden Sommer ein wenig mit dem Velo durch Europa. Mich faszinierte vor allem seine Ausrüstung. Er hat das meiste alles selbst hergestellt.

Am nächsten Morgen weckten uns die Möwen. Harry lud mich noch zum Tee ein und dann musste ich mächtig in die Pedale treten, um die verlorene Zeit wieder einzuholen. In ganz Holland gibt es ein „Knootpunt“ System für die Velofahrer. Man braucht eigentlich nur den Nummern zu folgen. Jedoch ist die Beschilderung stellenweise ziemlich erbärmlich und so verfuhr ich mich mehrmals. Erst um 15:00 Uhr kam ich völlig verspätet und ziemlich erschöpft bei Ottos Vater in Ridderkerk an. Uns blieb nicht viel Zeit. Nachdem wir uns von Elsa und Ottos Vater verabschiedet hatten, sprangen wir auf die Fähre und fuhren an den Windmühlen vorbei Richtung Süd Holland.

Nach 60km war dann spät Abends endlich Schluss. Der nächste Tag wurde einer der heißesten Tage in Holland seit Beginn der Messungen. Das Thermometer stieg bis zum Mittag auf über 38 Grad. Wir versuchten uns in einem der vielen Seen ein wenig abzukühlen und lernten beim Eis essen ein paar nette Holländer kennen. Die Einheimischen sprechen oft ziemlich gut Deutsch oder Englisch und mit Otto, meinem persönlichem Dolmetscher, war die Kommunikation ein Kinderspiel.

Den Abend durften wir in Bakel bei ein paar Freunden aus Ottos Wandergruppen verbringen. Lisbeth und Rien verwöhnten uns wie Könige und Rien zeigte uns ein paar Kuriositäten aus seiner Sammlung. Er hat neben einem Velo mit Sonnenschirm, eine Hutsammlung (ca. 2’000 Stück), einen Oranje Käfer und den dazu passenden Thron.

Zum Znacht fuhren wir in die Cafeteria, die ihrem Sohn gehört und wurden mit leckeren Fritten verwöhnt. Zufälliger weise fuhren wir am nächsten Morgen nochmals bei Luc und Angela vorbei, wo sie uns noch ein paar Energiespender auf den Weg mit gaben. Hartelijk dank Lisbeth, Rien, Angela und Luc für die tolle Gastfreundschaft und doei- doei!

Zum Glück wurden die Temperaturen in den kommenden Tagen um einiges angenehmer und das Wetter blieb vorwiegend schön. Das kommt davon, wenn Engel reisen! Jeden Tag mischten wir in unser Essen viel Knoblauch und Zwiebeln. Das gab ein paar schöne Konzerte unterwegs. Zum Glück waren die Velowege genug breit, dass man nebeneinander fahren konnte. Ansonsten hätte einer von uns ziemlich leiden müssen. Otto zeigte mir auch ein paar holländische Spezialitäten. Besonders der Vlaai, eine Art Streuselkucken, fand ich sehr lecker.

Bereits am vierten Tag kam der letzte Knootpunt und somit auch die Grenze nach Deutschland. Nach fast einem Monat in den Niederlanden. Velofahren in Holland ist ein wahrer Traum und die Holländer (und Innen!) sind lustige Leute. Bestimmt werde ich wieder einmal mit Kurd (mein Velo) hier durchradeln.

Gleich nach der Grenze wurden wir in Aachen von Philipp willkommen geheissen. Ich hatte ihn das letzte Mal in Phnom Penh besucht. Er ist seit Anfang Mai wieder in Deutschland und arbeitet jetzt bei der Post. Durch das einspeichen der alten Felge an meinem Hinterrad hatte sich ein Hochschlag gebildet. Philipp kannte zum Glück ein Velogeschäft, dass mir den Schaden noch am gleichen Tag beheben konnte. In der Zwischenzeit zeigte uns Philipp den Dom, die Thermalquellen und die Eisdiele.

Zum Abendessen gab es eine leckere Pizza und natürlich auch viel zu erzählen. Da Otto nicht unendlich viel Zeit hatte, mussten wir am nächsten Tag bereits weiter reisen. Philipp hatte uns empfohlen von Aachen nach Köln den Zug zu nehmen, da die Strecke zum Velofahren nicht sehr spektakulär sein soll. Steigt man in Köln aus dem Zug, steht man gleich direkt vor dem imposanten Dom.

Der Kölner Dom (offizieller Name Hohe Domkirche St. Petrus und Maria) ist eine römisch-katholische Kirche in Köln unter dem Patrozinium des Apostels Petrus. Die Kathedrale des Erzbistums Köln war bis Ende 2009 auch Pfarrkirche der Domgemeinde; seit 2010 ist sie von der Pfarrseelsorge exemt. Seit 1996 zählt der Kölner Dom zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der Kölner Dom ist mit 157,38 Metern Höhe nach dem Ulmer Münster das zweithöchste Kirchengebäude Europas sowie das dritthöchste der Welt.

Der Kölner Dom zählt zu den weltweit größten Kathedralen im gotischen Baustil. Die riesige Fläche der Westfassade mitsamt den beiden Türmen von über 7100 m² ist bis heute nirgendwo übertroffen worden. Von 1880 bis 1884 war er das höchste Gebäude der Welt. In den 1960er-Jahren stellte der Kölner Dom seine beiden nördlichen Seitenschiffe auch islamischen Gottesdiensten türkischer Arbeitsmigranten zur Verfügung. So breiteten beispielsweise zum Ende des Ramadan 1965 um die 400 Muslime ihre Gebetsteppiche im Kölner Dom aus, um mit Gebeten und religiösem Gesang das Ende des Fastenmonats zu feiern.

Gemütlich fuhren wir bei herrlichem Wetter im weiter dem Rhein entlang. Besonders am zweiten Tag war die Strecke zwischen Koblenz und Mainz landschaftlich traumhaft. Der Rhein hat sich hier in die Hügel hinein gefressen und im Mittelalter entstanden hier viele Burgen. Auch die Römer haben ihre Spuren hier hinterlassen. Das kann man besonders an den vielen Weinbergen erkennen. Otto musste wegen mir ständig anhalten, damit ich die Gegend fotografisch festhalten konnte.

Kurz nach Mainz, in Bodenheim, besuchten wir Michael. Wir hatten uns letztes Jahr im Iran getroffen. Er ist mit seinem Motorrad durch Pakistan und Indien weiter gefahren. Jetzt plant er bereits die Nächste. Bei gutem Wein unterhielten wir uns bis spät in die Nacht.

Mein Reifen hat nach über 20’000km einen Gewebeschaden eingefangen und das Tretlager hatte sich gelockert. So musste mein Kurd erneut in die Werkstatt. Otto entschloss sich noch am selben Tag weiter zu fahren um rechtzeitig in Basel zu sein. Ich gönnte mir einen Tag Erholung und verabschiedete mich nach 7 gemeinsamen Tagen von dem Fliegenden Holländer. Vielen vielen Dank Ottili für die lustige Zeit mit dir und bis bald in little Switzerland!

Michael zeigte mir am Nachmittag die Altstadt von Mainz. Mainz ist die Hauptstadt und mit ihren 200.000 Einwohnern zugleich größte Stadt des deutschen Landes Rheinland-Pfalz. Mainz versteht sich als eine Hochburg der rheinischen Fastnacht. Die Einwohnerzahl der Stadt Mainz überschritt im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Grenze von 100.000, wodurch die Stadt zur Großstadt wurde.

Der Erste Weltkrieg beendete den nach Schleifen der Stadtmauern beginnenden kurzen Aufschwung. Nach dem Krieg gingen die Goldenen Zwanziger am erneut von den Franzosen besetzten Mainz fast vollständig vorbei. Nach dem Ende der Besatzungszeit 1930 kam es erneut zu umfangreichen Eingemeindungen, die das Stadtgebiet verdoppelten. Der Nationalsozialismus konnte in Mainz zunächst nicht Fuß fassen. Noch zur Machtergreifung am 30. Januar 1933 demonstrierten mehr Menschen gegen das neue System als dafür.

Dennoch wurden die 3000 Mitglieder umfassende jüdische Gemeinde von Mainz fast vollständig deportiert. Die Stadt blieb vom Zweiten Weltkrieg bis 1942 verschont. Die ersten schwereren Bombenangriffe steigerten sich zum schlimmsten Angriff am 27. Februar 1945, als Mainz durch britische Bomber fast völlig zerstört wurde und ca. 1200 Menschen getötet wurden. Durch Brandbomben war ein Feuersturm entfacht worden. Am Ende des Krieges war die Stadt zu 80 % zerstört.

Nach dem Krieg wurde Mainz erneut von den Franzosen besetzt. Die Grenze der französischen und amerikanischen Besatzungszone bildete auf der Höhe von Mainz der Rhein. 1962 beging die Stadt ihre 2000-Jahr-Feier, die auf der damaligen (unbelegten) Auffassung beruhte, dass die Römer unter Agrippa bereits 38 v. Chr. ein Militärlager am Zusammenfluss von Rhein und Main gründeten. Die Entstehung von Mainz-Lerchenberg als neuer Stadtteil nach 1962 sowie großflächige Eingemeindungen rund um Mainz 1969 beendeten die durch den Zweiten Weltkrieg entstandene Stagnation in der Stadtentwicklung und boten umfassende Ausbau- und Entwicklungsmöglichkeiten für die Stadt. Mit der Ansiedlung des ZDF auf dem Lerchenberg begann ab 1976 der Ausbau zur Medienstadt Mainz.

In den Nachrichten erfuhr ich, dass im Pamir (Tajikistan), wo ich letztes Jahr durchgefahren bin, Konflikte ausgebrochen sind. Das Vorgehen der Regierung scheint mir ziemlich sinnlos. Anstatt die Probleme mit Gewalt zu dezimieren, sollten sie viel lieber mal damit beginnen den Menschen in dieser Region mit nachhaltigen Projekten zu helfen. Solch hilfsbereite und gastfreundliche Menschen wie im Pamir habe ich auf meiner Reise nur selten getroffen. nzz.ch/blutige-abrechnungen-im-pamir-1.17516099

Am Abend besuchten Michael und ich noch den Weinmarkt in Mainz. Dann hiess es am nächsten Morgen wieder Abschied nehmen. Vielen Dank Michael für die Zeit in Bodenheim und see you soon, irgendwo auf diesem Planeten!

Mit dem neuen Reifen rollte ich schön gemütlich weiter den Rhein abwärts und kam bereits am nächsten Tag in Heidelberg an. Das Schloss und die Altstadt liefern eine tolle Kulisse. Leider war das Wetter nicht so toll. Gerade als ich mich die Steigung hoch gekämpft hatte, fing es an zu regnen. So fuhr ich schon ziemlich bald wieder aus der Stadt.

Kurz vor dem Hockenheim Ring stellte ich mein Zelt auf und fuhr am nächsten Tag auf der französischen Seite des Rheins weiter.

Auf dem Campingplatz lernte ich am Abend Marlies kennen. Sie ist 2 Monate unterwegs und hat in Schweden ihre Tour begonnen, bevor sie mit der Fähre nach Deutschland übersetzte und jetzt in die Schweiz zurück radelt.

Wir fuhren am nächsten Tag die 56km bis nach Strasbourg gemeinsam. Dort besichtigte ich die Kathedrale und überquerte den Rhein in Richtung Schwarzwald.

Endlich, nach langer Zeit, kamen mal wieder die ersten richtigen Steigungen und auf den Hügeln hatte man eine tolle Aussicht auf die Gegend. Mein Ziel war Herbertingen an der Donau, wo Albert und seine Familie mich bereits letztes Jahr eingeladen hatten. Nach so langer Zeit gab es natürlich viel zu erzählen. Vielen Dank Albert!

Leider schlug das Wetter völlig um am nächsten Tag. Der Regen war fortan mein täglicher Begleiter. Die Fahrt über die Schwäbische Alp bis zur Wutach Schlucht war trotzdem landschaftlich sehr schön.

Während den Regenperioden flüchtete ich unter eine der vielen Bushäuschen und versuchte mein Schoggi Manko wieder zu regulieren. Schliesslich muss sich mein Körper langsam wieder an das riesige Sortiment an Schokolade gewöhnen. Am Sonntag Morgen fuhr ich an der Rothaus Brauerei vorbei. Der Braumeister lag leider noch unter dem Tisch wodurch ich auf mein Tannenzäpfle verzichten musste. Immerhin konnte ich ein Beweisfoto machen.

Der Tag blieb weitgehend trocken und die Abfahrt runter zum Rhein war nach den vielen Steigungen eine richtige Wohltat. In Rheinfelden überquerte ich die Grenze und stand nach 17 Monaten wieder auf schweizerischem Boden.

Plötzlich sprechen die Leute Schweizerdeutsch und überall hängen Schweizer Fahnen. Auch die Kühe begrüssten mich mit ihren grossen Kuhglocken bei der Fahrt über den Hauenstein nach Olten. Bei Anbruch der Dämmerung kam ich in Herzogenbuchsee an und besuchte dort Sabine. Wir hatten uns letztes Jahr in Yazd, im Iran, getroffen. Sie ist in 7 Monaten von der Schweiz aus der Seidenstrasse entlang gefahren bis nach China. Zum Abendessen wurde ich mit einer richtigen Portion Älplermakaronen verwöhnt.

Genau die perfekte Mahlzeit für den ersten Tag in der Heimat. Sabine begleitete mich am nächsten Tag mit ihrem Fuchur (ihr Velo) auf der Fahrt via Bern nach Fribourg. Natürlich mussten wir ein Foto vor dem Bundeshaus machen. Der Bundesrat war leider gerade nicht anwesend um mich ehrenhaft zu empfangen, dafür konnte ich im Coop endlich meine erste Flasche Rivella geniessen!

Auf dem Weg lernten wir Andi aus Bonn kennen. Er greift mit seinem Velo für 3 Wochen die Alpen an bevor es wieder nach Hause geht.

Auch in der Schweiz machen die Velowege gerne mal einen kleinen Abstecher ins Hinterland. So gelangten wir nach ein paar Umwegen endlich nach Fribourg. Sabine ist mir Velotechnisch definitiv überlegen.

In Fribourg gab es ein tolles Wiedersehen mit der Nomadbikefamily fr.nomadbikefamily.org. Sie haben nach 2.5 Jahre auf Reise ebenfalls wieder den Rückweg in die Heimat gefunden. Zum Znacht gab es leckere Nudeln und viel zu erzählen. Sabine musste uns nach dem Frühstück wieder verlassen. Dankä viumal Sabine für de tolli Empfang i de Schweiz!
Am Dienstag Abend feierten wir den 6. Geburtstag von Leroy.

Danach war dieser Kurzbesuch bereits zu Ende. Merci beaucoup Sandra, Ella, Patrick, Manu et Leeroy et à la prochaîne! Zum Abschluss meiner Reise mache ich jetzt noch eine kleine Tour de Suisse. Ende September wird meine Reise zu Ende sein. Wer Zeit und Lust hat mich am Samstag den 29. September auf meiner letzten Etappe vom Hallwilersee via Lenzburg bis nach Baden mit dem Velo zu begleiten, kann um 10:00 Uhr mit viel guter Laune vor dem Schloss Hallwil einrollen. Egal bei welchem Wetter. Nur die Harten kommen in den Garten!