Hello! Hello!

Hello! Hello!


Einen Tag früher als geplant bin ich in Diyarbakir angekommen.

Die 6 Tage dauernde Fahrt hier hin war alles andere als locker. Insgesamt ging es auf 640km über 4 Pässe mit unzähligen Höhenmetern. In der Türkei passt man die Strassen dem Gelände an und nicht umgekehrt. Da sind Steigungen zwischen 6-10% keine Seltenheit. Damit das Ganze erst richtig Spass macht, ist es momentan ziemlich warm (25-30 Grad) mit kleinen Gewitterfronten. Mein Wasserverbrauch liegt nun bei 5 Litern am Tag. Reisen mit dem Fahrrad ist definitiv keine Variante für Softies (ein bisschen Eigenlob muss sein).
Entbehrt wurde ich dafür unterwegs mit wunderschönen Landschaften und Dörfern.

Auch die Begegnungen mit den Menschen waren meistens ganz toll. So wollte ich am Sonntagmittag ausserhalb von Pinarbasi vor einem verlassenem Haus mein Zelt trocknen und Mittag essen. Plötzlich tauchten 3 Herren auf und luden mich zu einem Picknick ein.

Das Haus gehört Semsettin Kara. Ali Riza und Celal Atay zauberten zwei tolle Salate mit Fruchtteller, Ekmek ( türkisches Brot), Fisch und Raki ( Schnaps) auf den Tisch. Wohlgenährt und leicht beschwipst ging es dann weiter. Zwei Tage später kam ich, nach einem langen Tag mit vielen Höhenmetern, gegen 19:00 Uhr im kleinen Dorf Darica an. Die meisten Leute hier sind nach Europa ausgewandert und nur ganz selten hier. Zu meinem Glück sprach fast ein fünftel Deutsch. Ich durfte mein Zelt neben der Schule aufstellen und wurde zu einem Cay mit dem Bürgermeister eingeladen. Die Schule ist seit einiger Zeit geschlossen, da nur noch wenige Kinder im Dorf leben. Der ehemalige Lehrer unterrichtet jetzt im Nachbardorf, wohnt aber immer noch neben der alten Schule. Seine Frau ist ebenfalls dort als Englischlehrerin tätig. Den Rest des Abends verbrachte ich bei ihnen Zuhause. Sie konnte mir einiges über Land und Leute erzählen. Ihr Mann ist gebürtiger Kurde und sie kommt aus dem westlichen Teil des Landes. Nach wie vor sind Beziehungen zwischen Türken und Kurden immer noch nicht so gerne gesehen. Es war ein toller, lehrreicher und spannender Abend bei den Beiden.

In Malatya stieg mein Natel aus. In Istanbul hatte ich eine neue SIM Karte gekauft. Weil mein Telefon nicht im Pass registriert ist, haben die Türken mein Natel nun blockiert. C’est la Vie! Dafür konnte ich in Malatya meinen ersten Warm Showers Abend geniessen. Bei Fatma Bildik, die als Englischlehrerin an einer privaten Primarschule unterrichtet, durfte ich eine erholsame Nacht verbringen. Inklusive Dusche und einem köstlichen Nachtessen, das sie mit Seher Omac ( eine Arbeitskollegin) zusammen für mich kochte. Es gab Menemen ( Tomaten, grüner Pfeffer und Ei) mit Cacik ( Joghurt, Gurken und Garlik) und Nudeln. Himmlisch! An der türkischen Volksschule tragen alle Kinder Uniformen. Dadurch soll der Unterschied zwischen armen und reichen Kinder nicht ersichtlich gemacht werden. Fatma lebte zwei Jahre in Frankreich und so konnten wir ein bisschen unseren französischen Wortschatz aufbessern. Thank You very much Fatma!

In einem Monat finden im ganzen Land Wahlen statt und so wird überall mächtig die Wahlkampf Trommel gerührt. Einen solchen Wahlkampf wie hier in der Türkei habe ich noch nie erlebt. Jede Partei fährt mit riesigen Bussen und Cars durch die Städte.

Auf dem Dach haben sie Lautsprecher, die schrille und laute Musik mit Wahlparolen von ihren Kandidaten durch die Strassen rufen. Genau an diesem Abend war der Premier Minister in Malatya. Überall konnte man Fahnen von der AK Partei sehen und ich wurde sogar von einem Sender interviewt.
Jedoch hatte ich in Darende auch mein erstes negatives Erlebnis: Bei der Fahrt aus der Stadt hinaus bewarfen mich ein paar Kinder mit Steinen. Als ich stopte rannten die kleinen Angsthasen davon. Feiglinge!
Ansonsten sind die Kurden aber ganz tolle und herzhafte Leute. Immer wieder rufen sie “ Hello, Hello!“. Am Abend schmerzt mir jeweils der Arm vom ständigen Winken. Sogar die Lastwagenfahrer hupen und grüßen mich. Leider sind ihre Fahrkünste genau so schlecht. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran.

Am Donnerstagabend kam ich in Diyarbakir an. Diyarbakir ist v.a. als Zentrum des kurdischen Widerstands seit den 1980ern bekannt. Die Stadt ist nach wie vor das Bollwerk kurdischer Identität und Zähigkeit. Die Lage hat sich aber zum Glück bis heute entspannt. Wenn man durch die Strassen läuft, kann man sich kaum vorstellen, dass hier offene Schlachten zwischen den Rebellen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und der türkischen Armee tobten.
In neuassyrischer Zeit war Amid die Hauptstadt der Provinz Bit Zamani, eines ehemaligen aramäischen Königreiches.
Nach jahrhundertelanger achämenidischer, seleukidischer und parthischer Herrschaft gelangte der Ort schließlich um 230 n. Chr. in römische Hand. In der Spätantike war Amida eine wichtige römische Festung an der Grenze zum persischen Sassanidenreich und wurde von Kaiser Constantius II. stark befestigt, der dort sieben Legionen stationierte (da spätrömische Legionen kleiner waren als in früherer Zeit, entsprach dies einer Besatzung von etwa 7000 Mann). Im Jahre 359 wurde Amida 73 Tage von dem Sassanidenkönig Schapur II. belagert und schließlich gestürmt.
Auch später war der Ort in den römisch-persischen Kriegen heftig umkämpft: Anfang 503 etwa konnte der Perserkönig Kavadh I. die Stadt nach wiederum wochenlanger Belagerung einnehmen. Wenig später begannen umgekehrt kaiserliche Truppen mit der Belagerung der persischen Garnison in der Stadt. 505 ging sie schließlich gegen ein hohes Lösegeld wieder in römische Hand über, nachdem ein Großteil der Bevölkerung deportiert, verhungert oder getötet worden war. Amida blieb weiter umkämpft und wurde schließlich im Jahre 638 von den Arabern erobert. Damit endete die antike Phase der Siedlung.

In der Schlacht von Amida wurde dann 973 der mit Byzanz verbündete Herrscher von Melitene, Mleh der Große, vernichtend von einem abbasidischen Heer geschlagen. In den folgenden Jahrhunderten war die Stadt Teil verschiedener türkischer Fürstentümer wie der Aq Qoyunlu. Anfang des 16. Jh eroberten die Safawiden aus dem Iran die Stadt. Doch kurze Zeit später unterlagen sie in einer Schlacht 1514 den Osmanen. Der siegreiche Sultan Selim I. ließ die Stadt 1517 einnehmen. Bis zum Ersten Weltkrieg blieb Diyarbakır osmanisch. Nach der Niederlage der Osmanen im ersten Weltkrieg und der Gründung der Türkei 1923 wurde Diyarbakır Teil der Türkei.

Bis zur iranischen Grenze sind noch ziemlich viele Höhenmeter und Kilometer zu bewältigen. Mein Visa ist erst ab dem 1. Juni gültig und so kann ich hoffentlich gemütlich Richtung Van weiter radeln. Vorher braucht mein Velo aber noch eine neue Kette und frische Bremsklötze. Güle Güle!