Taklamakan-Wüste

Taklamakan-Wüste


Den letzten Abend in Kashgar genossen wir nochmals so richtig. In einem chinesischen Restaurant füllten wir unsere Mägen mit vielen leckeren Gerichten.

Selbst am darauf folgenden Tag fühlten wir uns immer noch müde von dem Essen und fuhren deshalb erst um 14:00 Uhr los. Durch die Taklamakan- Wüste gibt es seit Anbeginn der Seidenstrasse zwei Hauptrouten: die nördliche und südliche Seidenstrasse.
Wir entschieden uns die Südroute zu wählen. Vielleicht konnten wir so einen Blick auf das Himalaya- Gebirge erwischen und den K2 (8611 M.ü.M.) bestaunen. Die ersten drei Tage führte die Strasse durch relativ dicht besiedeltes Gebiet mit sehr viel Ackerland. Im Oktober ist die Baumwollernte hier in vollem Gange. Aber auch Mais, Gemüse und Früchte, die in riesigen Treibhäusern aus Lehm gezüchtet werden, findet man überall auf den Märkten.

Leider tauchte der K2 nicht auf. Auch in China gibt es im Herbst halt Nebel. Selbst die Friedhöfe bestehen aus Lehm.

Irgendwie sind die Gräber ziemlich praktisch. Darin bestattet möchte ich trotzdem nicht werden. Komfortabel sehen sie nämlich nicht aus.

Das Strassenbild besteht meistens aus einer bunten Mischung von Elektrorollern, Motorräder, riesig überladenden Lastwagen, Fahrrädern und verschiedenen Nutztieren, wie Ochsen oder Eseln, die allerlei Dinge auf ihren Wagen transportieren. Teilweise führt das dichte Verkehrsaufkommen zu ziemlich turbulenten Situationen. In China scheint es üblich zu sein bei jedem Überholmanöver zu hupen. Das man auch einfach das Tempo reduzieren könnte und mit Abstand überholt ist anscheinend noch keinem in den Sinn gekommen. Selbst die Polizei fährt mit Vollgas durch bewohntes Gebiet. Anfangs packten wir alle Fluchwörter aus unserem Wortschatz. Doch irgendwann mussten wir uns hoffnungslos eingestehen, dass alles Fluchen nichts nützt.

Wenigstens sind die Strassen in einem top Zustand. Sobald wir irgendwo anhalten werden wir von Schaulustigen umringt. Besonders Tim sorgt mit seiner dunklen Hautfarbe immer wieder für Gesprächsstoff. Zum Glück stammt die uigurische Sprache von der Türkischen ab. So können wir wenigstens ein bisschen mit der Bevölkerung kommunizieren. Möglichkeiten sein Zelt aufzustellen gibt es hier wie Sand am Meer. Nach drei Tagen werden die Dörfer immer rarer und schon bald begegnen uns die ersten Kamelen.

Die Taklamakan- Wüste ist bereits die vierte Wüste auf meiner Reise. Langsam habe ich mich an den Sand gewöhnt. Mit der Zeit breitet sich dieser überall aus. In den Kleidern, im Zelt, im Schlafsack und selbst im Essen knirscht es ab und zu. Bereits nach einer halben Woche haben wir unseren Rhythmus gefunden.

In ganz China werden die Uhren auf Beijing- Zeit gestellt, obwohl es mehrere verschiedene Zeitzonen gibt. Durch das geht hier im Westen die Sonne erst um 9:00 Uhr auf. Wir gestalten den Tag meist folgendermassen: 9:00 Uhr aufstehen, Frühstück kochen und Yatzi spielen. Um 12:00 Uhr auf die Drahtesel springen und spätestens nach einer Stunde beim ersten kleinen Laden Cola trinken und Schoggi oder Nüsse essen. Gegen 18:00 Uhr ist meistens langsam Feierabend.

Dann heisst es Zelt aufbauen, Essen kochen und nochmals Yatzi spielen. Bei langen Etappen gönnen wir uns auch zwischendrin mal eine Nudelsuppe. Die fertigen Suppen kriegt man im Beutel verpackt in jedem Laden und scheint die Nationalspeise Nummer 1 zu sein. Man kann sie zu jeder Tageszeit verdrücken und braucht nur heisses Wasser in eine Schüssel zu leeren. Genau das richtige für eine schnelle Mahlzeit zwischendurch. Xinijang ist eine faszinierende Provinz mit einer wilden Geschichte. Bereits an den Leuten fallen uns immer wieder grosse Unterschiede auf. Die Einen sehen aus wie Kirgisen, andere mehr wie Mongolen und natürlich auch Chinesen.

Xinijang, die „neue Grenze“ Chinas (was der Name übersetzt bedeutet), ist mit seiner ungeheuren Ausdehnung seit Jahrhunderten Zielscheibe rivalisierender Mächte. Die auf Unabhängigkeit bedachten Menschen dieser Region sind nie wirklich unabhängig gewesen. Heute „gehört“ Xinijang zu China, nachdem es mit dem Mittleren Reich jahrhundertelang in einer Push-Pull-Beziehung untrennbar verbunden war, die China heute strikt weiter verfolgt.

Xinijang gleicht einem eigenständigem Land innerhalb von Chinas Grenzen. Hier ist die Sprache nicht etwa ein anderer Dialekt, sie gehört einer ganz anderen Sprachfamilie an. Die Provinz ist Flächenmässig grösser als Alaska (ein Sechstel der Gesamtfläche Chinas), hyperreich an Seidenstrassengeschichten, bevölkert von einer bunten Mischung aus fast 50 ethnischen Minderheiten, geopolitisch äusserst wichtig, da es an acht Nationen grenzt und es sitzt auf fast 30% von Chinas Erdölreserven. Insgesamt leben fast 21 Millionen Menschen hier.

Es gibt neben den Kamelen, Schafen, Esel und Ziegen aber auch noch andere lustige Wüstenbewohner. Sobald sich am Morgen der Asphalt durch die Sonne ein wenig aufgewärmt hat, kommen kleine Eidechsen auf die Strasse zum Sonnenbad. Sie sind enorm flink und huschen immer hastig davon, wenn wir uns nähern.

Die Mandschu-Armee marschierte 1755 in die Stadt ein und beendete diese Herrschaft. In den 1860er- und 1870er Jahren kam es überall in Westchina zu mehreren muslimischen Aufständen und nachdem russische Truppen 1881 nach einer 10-jährigen Besatzungszeit aus der Region abgezogen waren, flohen Wellen von Uiguren, chinesischen Muslimen (Dunganen) und Kasachen nach Kasachstan und Kirgisien.

Mit dem Sturz der Qing-Dynastie 1911 geriet Xinijang unter die Herrschaft mehrerer aufeinander folgender Kriegsherren, bei denen die Kuomintang (KMT; die Nationalistische Partei) wenig ausrichten konnte.
Der einzige Versuch, einen unabhängigen Staat zu schaffen, fand in den 1940er-Jahren statt. Ein Kasache namens Osman führte einen Aufstand der Uiguren, Kasachen und Mongolen an. Er unterwarf das südwestliche Xinijang und errichtete im Januar1945 die Republik Ostturkestan. Die KMT überzeugte die Muslime jedoch, ihre neue Republik aufzugeben und bot ihnen im Gegenzug echte Autonomie.

Nach der Machtergreifung der Kommunisten 1949 entstand in Xinijang eine muslimische Liga, die sich der chinesischen Herrschaft widersetzte. Seltsamerweise kamen schon bald danach mehrere ihrer prominenten Anführer auf dem Weg zu Gesprächen in Beijing beim Absturz ihres Flugzeuges ums Leben. Der organisierte muslimische Widerstand gegen die chinesische Herrschaft brach zusammen, wenn auch der Kasache Osman weiterkämpfte, bis er 1951 von den Kommunisten gefangen genommen und exekutiert wurde. Sämtliche Städte wurden im Zentrum mit einer Mao Statue versehen. Hier jeweils dargestellt durch den grossen Mao, der dem kleinen Uigur die Hand reicht.

Für uns ist diese Symbolik jeweils ziemlich praktisch zur ersten Orientierung in einer neuen Stadt. Sie diskriminiert aber auch sinnbildlich die Uiguren. Am Abend sahen wir in Hotan viele Paare vor der Statue auf dem Platz tanzen. Richtig romantisch.

Seit 1945 ist es Chinas Hauptziel, ethnischen Separatismus zu unterdrücken und gleichzeitig die Region mit Han-Siedlern zu überfluten. Einst stellten die Uiguren 90% der Bevölkerung von Xinijang, heute ist diese Zahl auf unter 50% gesunken. Chinas im Jahr 2000 gestartete Kampagne zur Entwicklung des Westens geht weiter. Han-Chinesen werden durch soziale- und wirtschaftliche Anreize dazu bewogen, in westliche Provinzen auszuwandern. Beijing hat fast 100 Milliarden US$ in die Infrastruktur Xinijangs geschleust (vor allem natürlich, um die riesigen Erdöl- und Erdgasreserven zu erschliessen und auszubeuten).

Nach Sechs Tagen erreichten wir Hotian. Die Hotelsuche war nicht ganz einfach. In einigen Hotels wollten sie keine Ausländer aufnehmen und meistens sprach niemand Englisch. Zum Glück hatten Tim und Andi ein Mandarin Sprachführer dabei. So gelang es uns nach längerer Suche doch ein Hotel zu finden. Die uigurische Küche ähnelt ziemlich stark der Zentralasiatischen und ist ebenfalls eine fleischige Angelegenheit. Zu meinem Glück gibt es in Hotan auch viele Fast Food Restaurants. So kamen wir in den Genuss von einer richtigen Pizza. Meine erste seit Monaten! Milchprodukte sind ziemlich rar hier. Butter und Käse gibt es nicht. Auch Schoggi ist nicht immer leicht zu bekommen. Wir schwärmen immer wieder von den leckeren Spezialitäten aus der Heimat. Was würden wir nicht alles tun für ein Fondue oder ein Glas Rivella?

Die grosse Spezialität in Hotan ist der Sonntagsmarkt. Die ganze Wüste scheint sich an diesem Tag hier zu treffen. Man findet einfach alles. Durch fast die ganze Stadt erstreckt sich der Markt. Alles ist in verschiedene „Fachgebiete“ aufgeteilt. So sind beispielsweise alle Kleiderhändler auf einem Platz, die Werkzeugmacher teilen sich mit den Schreinern einen weiteren Teil und wer Lebensmittel braucht, findet alles in rauen Mengen.

Das Highlight für mich war der Tierbasar. Schafe, Ziegen und Geissen werden hier auf den Schlachthof gebracht. Kühe und Kamele kann man hier ersteigern. Ein Kamel kostet ungefähr 13’000 Yuan (6 Yuan = 1US$), also etwa 2’000.- CHF. Jedes Tier wird auf besondere Merkmale hin geprüft. Die Verhandlungen werden von Männern geführt. Es entstehen meistens heftige Diskussionen, die wir jedoch nicht verstanden. Aber auch Kühe werden angeboten. Wir waren mit Abstand die einzigen Touristen. Die Leute waren enorm höflich zu uns und liessen uns die ganze Zeit Bilder schiessen und Dinge bestaunen. Eine sehr angenehme Stimmung.

Vollbepackt und frisch gestärkt ging es am nächsten Tag weiter in die weite Wüste. Kurd ächzte ziemlich unter dem Gewicht. Zum guten Glück sind unsere Karten auf Englisch und Chinesisch angeschrieben. Ansonsten würde es ziemlich schwierig werden, die Strassenschilder zu verstehen.

Obwohl Verkehrsregeln kaum beachtet werden, legen die Chinesen scheinbar grossen Wert auf korrekte und möglichst viele Beschilderung. Für mich brauchte das am Anfang wieder ein wenig Zeit zur Angewöhnung. Schliesslich grenzte es auf dem Pamir Highway schon an ein Wunder, wenn ein Schild irgendwo auftauchte. Am zweiten Tag feierten Tim und Andi ihren 10’000 Kilometerstand seit Beginn ihrer Reise. Da ich keinen Kilometerzähler dabei habe und vermutlich auch schon so viel gefahren bin, feierten wir gleich zu dritt.

Bis Ende China werden es bestimmt nochmals 5’000 Kilometer mehr sein!
Der Wind stellte sich einmal mehr gegen uns. Pünktlich gegen 13:00 Uhr setzte ein derart starker Gegenwind jeweils ein, dass wir nur noch sehr langsam vorwärts kamen. Ich war am Abend ziemlich erschöpft von der Strampelei.

Zudem spielte unsere Reise Know How Karte einen ziemlich üblen Streik mit uns: Es ist zwar praktisch ganz China auf einer Karte zu haben, aber anscheinend haben sich beim produzieren einige Fehler eingeschlichen. Bei einem Massstab von 1:4’000’000 kann das ja mal vorkommen. Für uns hatte das jedoch fatale folgen. Kurz nach Mingfeng entdeckten wir einen traumhaften Zeltplatz zwischen den Sanddünen.

Die nächste Ortschaft müsste am nächsten Tag gemäss Karte nach 80 Kilometer kommen. Die einzige Chance um Wasser zu bekommen. Als nach 90 Kilometer sämtliche unserer Wasservorräte aufgebraucht waren, fingen wir an sämtliche Fahrzeuge anzuhalten und um Wasser zu betteln. So hatten wir nach einer Stunde 4 Liter Wasser zusammen. Ein Auto schenkte uns sogar noch ein Kilogramm frischer Äpfel. Wir erfuhren dadurch, dass die nächste Ortschaft noch mindestens 30 Kilometer entfernt ist. Vielen Dank Reise Know How für diesen fatalen Fehler! Ziemlich durstig und hungrig schlichen wir in unsere Schlafsäcke. Als wir am nächsten Tag nach 60 Kilometer tatsächlich in einem Dorf mit Lebensmittelladen ankamen, waren wir alle schwer erleichtert.

Ich habe mich noch nie in meinem Leben so glücklich gefühlt beim Anblick von gefüllten Regalen. Wir sehnten uns dermassen nach Zivilisation, dass wir am nächsten Tag innerhalb 3.5 Stunden 110 Kilometer nach Qiemo zurück legten. Ein persönlicher Rekord. Mein Allerwertester schmerzte anschliessend ziemlich heftig. Qiemo ist, verglichen mit Hotan und Kashgar, eine ziemlich kleine Provinzstadt. Ausländische Touristen scheint es hier nicht viel zu geben. Am ersten Tag assen wir so viele Süssigkeiten, dass es mir danach ziemlich schlecht ging.

Die Velohosen sind langsam durchgerissen. Auch die von Andi. Auf dem Basar fanden wir eine Schneiderin, die auf einer alten Nähmaschine unsere Löcher flickte.

Hier wird vor allem mit Jade gehandelt. Zu Zeiten der Seidenstrasse war dieses Gestein neben Seide und Gewürzen eines der wichtigsten Handelsprodukte. In allen Formen, Farben und Grössen werden die Steine hier angeboten.

Wir entschlossen uns noch einen Tag länger in Qiemo zu bleiben um uns richtig zu erholen. Das Frühstücksbuffet im Hotel entsprach nicht ganz unseren Vorstellungen. Es ist zwar lecker frische Nudeln und Gemüse mit Tee serviert zu bekommen, aber nicht am Morgen! So kauften wir Joghurt, Haferflocken und Früchte auf dem Markt und zauberten ein köstliches Birchermüesli. Als ich frisches Brot einkaufen ging, sah ich auf dem Rückweg, wie Schweinsköpfe und Füsse flambiert wurden und ein Hund mit abgezogenem Fell in der Waagschale lag. Was es nicht alles gibt am anderen Ende der Welt.

Besonders schwierig beim Chinesisch ist es, die Wörter richtig zu betonen. Als Andi Salz für die Eier bestellen wollte kam die Bedienung mit einem Pack Zigaretten zurück. Die Chinesen haben immer riesigen Spass, wenn uns komischen Ausländern solche Missgeschicke passieren. Auch für uns ist dies meistens amüsant. Das Lachen ist die einzige universelle Sprache weltweit, die jeder Mensch versteht. Die Chinesen scheinen von Geburt an schon zu Lachen. Ein fröhliches Volk.

Wir hatten uns dermassen gut erholt, dass es uns am nächsten Tag ziemlich schwer fiel überhaupt weiter zu fahren. Nach 20 Kilometer stellten wir unsere Zelte in einem Zitterpappel Wald auf und genossen den Ausblick auf die Baumwollfelder.

Kurz vorher kauften wir in einem Shop Wasser ein. Die Ladenbesitzerin hatte dermassen Freude an unserem Versuch Chinesisch zu sprechen, dass sie uns gleich eine ganze Schachtel voll Grüntee schenkte. Wow!
Die Uiguren schwellen schon lange einen Groll gegen die Han Chinesen und führte Anfangs der 1990er Jahre zu mehreren Aufständen; im Februar 1997 kochten die Spannungen über, als muslimische Separatisten in der nördlichen Stadt Yining gewalttätig aufbegehrten.

Die chinesischen Sicherheitskräfte griffen hart durch. Mindestens neun Menschen starben und fast 200 wurden verletzt, was chinesischen Medienberichten zufolge die Proteste zu den bisher heftigsten machte. Hunderte Angehörige der muslimischen Bevölkerung wurden wegen ihrer Beteiligung an den Aufständen festgenommen; Drei wurden noch am Tag ihrer Gerichtsverfahren hingerichtet, der Rest erhielt lebenslange Haftstrafen. Als Antwort sprengten Separatisten in Ürümqi drei Busse in die Luft. Neun Fahrgäste wurden getötet und viele verwundet.

Im April 1997 kam es in Yining erneut zu Gewalttätigkeiten, als ein Mob Gefängniswagen angriff, die einige der Februar- Aufständischen transportierten. Wieder wurden mehrere Menschen verwundet oder getötet.
Im Jahr 2001 schloss die chinesische Geheimpolizei mehrere Moscheen des uigurischen Untergrunds in Korla; ein prominenter Führer und mehrere andere Personen wurden vor Gericht gestellt und hingerichtet.
Dies geschah noch vor dem 11. September 2001. Beijing nutzte die Ereignisse vom 11. September jedoch, um den uigurischen Nationalismus weiter unter Druck zu setzen und brachte Tausende als „islamische Terroristen“ Verdächtige ins Gefängnis oder liess sie hinrichten- letztendlich mit dem stillschweigendem Einverständnis Washingtons (und dem Wegschauen der restlichen Welt). Seit dem 11. September hat Beijing die Berichterstattung über das Uiguren- Problem weiter eingeschränkt, zweifellos wegen seiner unrealistischen Hoffnung, Xinjiang zu einer Xi’an- ähnlichen Touristen- Hochburg und vor allem zu einem weltweit führenden Ölproduzenten zu machen.

Der liebe Gegenwind wurde immer heftiger und auch kühler. Langsam wurden auch die Berge des Arjin Shan Massives sichtbar. Ein Zeichen, dass wir uns langsam dem Ende der Wüste näherten. Kurz vor Washixia traffen wir auf LiuGuofeng.

Er ist vor 8 Monaten aufgebrochen um sein Land mit dem Velo zu erkunden und fährt nun zurück nach Xi’an. In Washixia lud er uns zum Nachtessen in ein Restaurant ein. Obwohl er etwa nur so viel Englisch sprach, wie wir Chinesisch stellten sie uns ein himmlisches Essen auf den Tisch.

Voll gefressen fuhren wir alle zusammen aus dem Dorf und richteten unser Nachtlager erneut in einem Zitterpappel Wald ein. Diese Bäume scheinen hier die dominanteste Baumart zu sein. Durch ihre für die Wüste genial geeignete Vermehrungsform, der Wurzelbrut, können sie sich auch unter härtesten klimatischen Bedingungen weiter entwickeln.
Am nächsten Tag kamen wir in Ruoqiang, der letzten Stadt für uns in der Taklamakan- Wüste an.

Nach einem weiteren leckeren Essen und einem letzten Einkauf, verabschiedeten wir uns von LiuGuofeng und fuhren weiter.

Das grösste Spektakel in der Wüste bietet sich jeweils wenn die Sonne unter geht. Der Sternenhimmel ist auch hier oftmals gigantisch anzuschauen. Erneut spielte unsere Karte einen Streich mit uns: die eigentlich eingezeichnete Hauptroute führt etwa 100Kilometer weiter östlich durch die Berge. Wir haben lauter lustige Sprüche und Reime über die inkompetenten Kartenplaner bei Reise Know How erfunden. Zum Glück holte uns LiuGuofeng nochmals ein. Wir spielten so viel Yatzi, dass er uns prompt nochmals traf.Tja, die liebe Spielsucht! So konnten wir mit seiner Karte die richtigen Wege und Distanzen auf unsere pseudo Karte übertragen. Während zwei Tagen und über 200 Kilometer kam kein einziges Dorf. Dafür ab und zu kleinere Rastplätze, wunderschöne Zeltplätze, tote Kamele und wieder mal richtige Berge. Diese habe ich schon fast ein wenig vermisst.

Baxikorgan stellt auf der Karte eine Ortschaft dar und war unsere Hoffnung endlich wieder Nahrungsmittel einkaufen zu können. Leider steht an dem Ort nur ein kleiner Laden, der Nudelsuppe, Autobatterien und Süssgetränke verkauft. Nach einer kleinen Stärkung fuhren wir weiter. Der Gegenwind war an diesem Tag dermassen eisig und stark, dass wir trotzdem kurz die Zeit an diesem Windstillen Platz genossen.

Auf dem Weg zum Pass verloren wir LiuGuofeng erneut. Er kapitulierte vor dem Wind. Wir wollten unbedingt ein wenig tiefer unsere Zelte aufschlagen und standen gegen 18:30 Uhr endlich auf dem 3’855 M.ü.M. hohen Pass.
Die Tageshöchsttemperatur betrug 5 Grad. Es begann bereits zu dämmern als wir völlig durchfroren unsere Zelte aufbauten. Nach einer Tomatensuppe krochen wir direkt ins Zelt. Wie kalt es genau wurde in der Nacht wissen wir nicht. Wir schätzten ungefähr minus 15 Grad. Das Wasser in den Flaschen war am Morgen komplett gefroren. Uns blieb keine andere Wahl, als die Flaschen aufzuschneiden um das Eis auf dem Kocher schmelzen zu können. Es dauerte fast eine Stunde bis wir unsere letzte Nudelsuppe essen konnten.

LiuGuofeng tauchte plötzlich wieder auf. Ebenfalls ziemlich durchgefroren. Jeder für sich, kämpften wir uns, nochmals über einen Pass, in die erste Ortschaft seit drei Tagen. Der erste Shop wurde gleich geplündert. Es braucht nicht viel Phantasie, sich vorzustellen wie hungrig wir waren. Mittlerweile zählen wir uns immer wieder die einzelnen Lieblingsgerichte aus der Schweiz auf. Butterzopf, Gipfeli, Gschwelti, Capuns oder einfach richtige Schoggi! Das scheinen die lieben Chinesen hier überhaupt nicht zu kennen. Dafür gibt es überall Hühnerbeine, Reis Chips und viele undefinierbare Dinge zu kaufen.
Die Leute im Shop hatten ziemlich Freude an uns komischen Ausländern.

Als wir nach einer Unterkunft fragten, stellten sie gleich ein Zimmer hinter dem Laden zur Verfügung und das für 80 Yuan! Die Aussicht einmal warm schlafen zu können war dermassen verlockend, dass wir gleich akzeptierten. Die Chefin des Hauses zeigte uns die Dorfbeiz. Was wir dort auf den Teller bekamen war mit Abstand etwas vom besten Essen seit Anfangs China für mich. Nach einer warmen Nacht ging es weiter durch die eisige Hochebene des Arthun Shan Gebirges. Huatugou ist die letzte Ortschaft mit uigurischen Bewohnern und definitiv das Ende der Taklamakan- Wüste. Hier wird ebenfalls im grossen Still Erdöl aus dem Boden gepumpt.

Die Erdölfelder erstrecken sich über riesige Gebiete. Alles in Huatugou scheint der Erdölfirma zu gehören. Modernste Bauten stehen einfach mitten im Nirgendwo. Insgesamt gibt es zwei Hotels im Ort. Genau richtig für uns zum nach 8 Tagen im Sattel mal wieder einen Ruhetag einzusetzen.